- Politik
- DFB-Pokal: 1. FC Magdeburg - Bayern München 5:3
David - Goliath: neues Kapitel
Ostdeutscher Viertligist schlägt den Ersten der aktuellen Klub-Weltrangliste Von Michael Müller
Der Mythos von David gegen Goliath ist seit dem späten Mittwochabend um ein sportliches Kapitel reicher. Der 1. FC Magdeburg schoss Bayern München aus dem DFB-Pokalwettbewerb 2000/2001. 1.1 hieß es nach regulärer sowie Verlängerungsspielzeit. 4.2 endete das Elfmeterschießen - was sich insgesamt zu 5:3 addieren lässt.
Bayern München, das ist bekanntlich nicht nur der amtierende nationale (Rekord)Fußballmeister und Cupverteidiger. Bayern München steht - zusammen mit Real Madrid - auch an der Spitze der aktuellen Klub-Weltrangliste. Und der 1. FC Magdeburg ist derzeit viertklassig; immerhin führt er aber gerade die Staffel Süd der Oberliga des Nordostdeutschen Fußballverbandes an.
Also eine echte Sensation im Ernst- Grube-Stadion. Wobei hier gleich daran erinnert sei, dass den Bayern das gegen Amateurvereine nicht das erste Mal passiert ist. 1990/91 waren sie in der Pokalvorrunde an den Jungs vom FC Weinheim (0:1) gescheitert, 1994/95 dann an denen aus Vestenbergsgreuth (ebenfalls 0:1). Zur Erinnerung und für Kaffeegrundleser sei hier weiterhin gleich angefügt, dass Bayern München dann weder in der einen noch in deren Saison Deutscher Meister geworden war, sondern Zweiter bzw. sogar nur Sechster...
Doch zurück zu Mittwochabend. Im Elfmeterschießen avancierte Magdeburgs Torwart Miroslaw Dreszer endgültig zum Helden des Spiels. Er wehrte die Schüsse von Jeremies und Eiber ab. Das wars - und Magdeburg versank daraufhin in der Nacht zum Donnerstag in einem blauweißen Siegestaumel, der auch gestern noch nicht abzuebben schien. Während um 0.38 Uhr eine Dornier mit einer ver schnupften Bayern-Elf an Bord vom Flugplatz Cochstedt in Richtung München abhob, tanzten im VIP-Zelt des Magdeburger Grube-Stadions die Pokal-Helden ihre Sieger-Polonaise und feierten bis morgens um Zwei. Noch lange nach Spielschluss hupten Autos durch Magdeburgs Innenstadt, aus denen Fahnen und Schals in den blau-weißen Vereinsfarben flatterten. Und in so mancher Kneipe wurde mit Inbrunst die bekannte Fußball-Hymne angestimmt, dergemäß die Bayern die Lederhosen ausgezogen bekommen.
Fußballerisch war im Ernst-Grube-Stadion vorher etwa dieses passiert: Der FCM, als Europacupsieger von 1974 eine DDR-Legende, der in der ersten Pokalrunde bereits den 1. FC Köln (5:2) ausgeschaltet hatte, war in der Defensive meist einen Schritt schneller als die gegnerischen Angreifer. Im Abschluss allerdings agierten die Gastgeber zu überhastet. Nach dem Wechsel erhöhten die Bayern den Druck, doch Magdeburg hielt stand, hatte schließlich eine Minute vor Abpfiff der regulären Spielzeit durch Ivanovic sogar die Riesenchance zum Sieg. Auf der anderen Seite kam die bayrische Torfabrik ostdeutscher Herkunft - Jancker/Zickler - weiterhin nicht auf Touren. Pures Selbstbewusstsein hingegen bei den Magdebur gern. »Nach der Verlängerung hatten wir doch ohnehin schon gewonnen. Daher hatten die Bayern beim Elfmeterschießen weiche Knie«, lästerte Keeper Dreszer zu Recht. Und zwar einem Verlierer gegenüber, der zumindest im ersten Moment seine Enttäuschung nur schlecht verber gen konnte. »Die haben gekämpft wie die Wahnsinnigen«, urteilte Bayern-Manager Uli Hoeneß. Eine, um auf gleicher Ebene zu bleiben, etwas schwachsinnige Form der Anerkennung. Näher kam da Trainer Hitzfeld gestern in München der Erklärung für die Schlappe-. »Einige Spieler haben sich nicht so richtig eingesetzt. Eine normale Leistung hätte gereicht.«
Beim FCM zog indes Geschäftsführer Bernd Lindner, der am Mittwoch im ND- Interview auf ein 2.1 seiner Mannschaft getippt hatte, gestern den vorläufigen geschäftlichen Schlussstrich: rund 300 000 Mark aus Eintrittsgeldern, 500 000 für die Liveübertragungsrechte an die ARD, 100 000 vom neuen Trikosponsor plus hohe Einnahmen an Fanartikeln usw. - macht etwa eine Million für den Verein, dem es finanziell in den letzten Monaten alles andere als gut gegangen zu sein schien.
Ansonsten hatte die Magdeburger Kicker der Viertliga-Alltag wieder- am Sonntag wartet der FC Anhalt Dessau zum Punktspiel. Gestern Vormittag absolvier ten sie mit schweren Beinen aber strahlenden Gesichtern ein Lauftraining, bevor in der Sauna das Siegerbier der letzten Nacht ausgeschwitzt wurde. Strahlende Gesichter übrigens wohl auch deshalb, weil die mit dem FCM-Präsidium ausgehandelte Siegesprämie fällig wird. Sie soll, so zu hören, 100 000 Mark betragen.
Magdeburg: Dreszer; Schmidt; Rozgony, Holz, Koc; Hannemann, Golombek, Zani, Lücke (85. Ivanovic); Ofodile (71. Scholze), Mydlo. Bayern: Kahn; Sagnol, Anderson, Sforza, Tarnat; Wiesinger (64. Salihamidzic), Strunz (73. Jeremies), Fink, Sergio, Jancker, Zickler (68. Eiber). Tore: 1:0 Ofodile (66.), 1.1 (Salihamidzic 79.) Elfmeter schießen: 0:1 Sergio, 1.1 Schmidt, Derszer hält gegen Jeremies, 2:1 Ivanovic, Dreszer hält gegen Eiber, 3:1 Golombek, 3:2 Sagnol, 4:2 Hannemann.
Stars des Abends: Magdeburgs Stürmer Abiodun Quadri, Trainer Eberhard Vogel Fotos: dpa; Reuters Glückspilze des Abends: FCM-Fans
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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