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Gregor Gysi kann noch zuhören

Ohren-Test im Bundestag / Ein Viertel der Abgeordneten hat leichte Probleme

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Susann Huster, Berlin

Ob die Volksvertreter im Bundestag Volkes Stimme noch verstehen können, prüfte das Forum »Besser Hören«.

So ganz geheuer war Gregor Gysi die Hörtest-Kabine nicht. Der PDS-Politiker versteckte sich vorsichtshalber erst mal hinter einer Glastür und harrte der Dinge, die da auf seine Abgeordnetenkollegen zukommen sollten. Die standen schon am Morgen im Berliner Reichstag brav in der Schlange, um kostenlos ihr Parlamentarier-Gehör vom Fachmann überprüfen zu lassen.

»Ich glaube nicht, dass ich besonders gut höre«, traute Gysi seinen Ohren nicht. Seine Frau behaupte immer, sie müsse für ihn den Fernseher lauter stellen. Doch die Sorge war unbegründet. Gysi, der sich später doch noch zu einem Test durchrang, hört auf dem linken und dem rechten Ohr einwandfrei. Auch seine SPD- Kollegen, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Anke Fuchs, machten die Probe aufs Exempel und konnten sich danach beruhigt zurücklehnen.

Wie gut hören unsere Abgeordneten? Dieser Frage geht Thomas Glaue vom Forum »Besser Hören« noch bis heute nach. Während in einer Bundestagsdebatte das eine oder andere Argument der politischen Konkurrenz geflissentlich überhört wird, geht es dem Fachmann um die tatsächliche Hörfähigkeit der Abgeordneten. Und die ist nicht immer hundertprozentig, wie sich bereits am ersten Tag herausstellte. »25 Prozent der bisher Getesteten hatten leichte Probleme«, sagte Glaue, der gemeinsam mit Hörgeräte-Akustik-Meister Gunter Wolf an einem Vormittag 64 Abgeordneten-Ohren kostenlos über prüfte. Ähnlich sah das bereits 1988 aus, als die Bonner Abgeordneten erstmals ihre Lauscher untersuchen ließen.“Von 556 Testpersonen hatten damals 155 eine deutliche Hörminderung.

Auch der erst 37-jährige Dirk Niebel (FDP) wollte auf Nummer Sicher gehen: »Ich habe das Gefühl, dass ich schlechter höre als früher«, sagte er. Schließlich sei das Zuhören die wichtigste Kompetenz eines Abgeordneten. Mit einem ver schmitzten Lächeln wandte er sich an Gysi: »Ich kann das manchmal gar nicht ver stehen, was Sie sagen.« Der Hörtest war für so manchen Parlamentarier Anlass zur Selbstkritik. »Wir hören sowieso selek tiv«, sagte ein Abgeordneter im Vorbeigehen. »Zuhören ist meist unterentwickelt bei uns«, stimmt ihm Otto Bernhardt (CDU) zu. »Es kommt immer darauf an, wer was sagt, ob man zuhört oder nicht«, gestand der SPD-Abgeordnete Ditmar Staffelt lachend.

Glaue bereiten die Gehörprobleme seiner Mitmenschen große Sorge. Durchschnittlich schaffen sich die Betroffenen sieben Jahre zu spät ein Hörgerät an - aus Eitelkeit, Angst, Ignoranz oder auch aus finanziellen Gründen. Immerhin haben bundesweit 15 Millionen Menschen Hör Probleme, nur zweieinhalb Millionen verfügen jedoch über ein entsprechendes Gerät. Wie viele der Bundestagsabgeordneten künftig eine kleine technische Hör hilfe am Ohr tragen müssen, bleibt abzuwarten, ddp

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