«Die Signale nicht ernst genommen»
Satansmörder Möbus inszeniert sich in den USA als politisch Verfolgter - Thüringens Justiz muss zusehen Rechtsextreme
Von Jörg Völkerling
An diesem Freitag verhandelt ein US-Gericht darüber, ob der in Deutschland u.a. wegen Mordes verurteilte Neonazi Hendrik Möbus ausgeliefert wird. Dessen Trick: Er beantragte Asyl, weil er in seiner Heimat politisch verfolgt werde.
Ein Mausklick genügt, und Hendrik Möbus spricht. Auf den Internetseiten des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes hat der als Satansmörder bekannt gewordene 24-Jährige, der mit zwei Gesinnungsgenossen vor über sieben Jahren im thüringischen Sondershausen seinen Mitschüler Sandro Beyer in einem «archaischen Opferritual» regelrecht hinrichtete, ein Forum gefunden.
Seine Botschaften sendet der selbster nannte «politische Dissident» aus den USA, wohin er sich Ende 1999 abgesetzt hatte. Erst vor gut vier Monaten machten ihn Fahnder des Thüringer Landeskriminalamtes ausfindig. Er hatte Unterschlupf bei William Pierce gefunden, dem Gründer des berüchtigten Neonazi-Netzwerks National Alliance. Selbst aus seiner Zelle in der Haftanstalt der US-Einwanderungsbehörde INS in Batavia (Bundesstaat New York) versorgt Möbus seine deutschen Jünger per Internet mit immer neuem Stoff. Adolf Hitlers Machwerk «Mein Kampf» beispielsweise entnimmt Möbus das vorläufige Fazit seines eigenen Kampfes: «Sieben Jahre voller Dummheit, Lügen und Ignoranz.» Von jenem Mord, den man in Sondershausen bis heute nicht vergessen kann, bleibt da nur ein Dummer Jungen-Streich: «Teenager töten und werden getötet -jeden Tag.»
Nicht so harmlos sieht das Landgericht Mühlhausen im Februar 1994 die Tat: Wegen der ständigen Beschäftigung mit Satanismus, Horrorvideos und Black Metal-Musik hätten die Angeklagten die Achtung vor der Würde des Menschen verloren. Das Urteil: Acht Jahre Haft für Möbus, acht und sechs Jahre für die Mitangeklagten. Nach zwei Dritteln der Strafe auf Bewährung entlassen, tönt er in einem Interview- «Ich weiß ja nicht, ob man in der Nazizeit bestraft worden wäre, wenn man Volksschädlinge unschädlich gemacht hätte.» Die Stilisierung zum Märtyrer hat begonnen. Was den Sondershäuser Pfarrer Jürgen Hauskeller vor allem beunruhigt, ist der Ton: «Der hat alle Gutachter getäuscht. Er hätte doch niemals auf Bewährung rauskommen dürfen. Und dann noch als hundertprozentiger Neonazi. Das muss er sich im Gefängnis angelesen haben.» Der Erfurter Amtsgerichts- Präsident Rudolf Lass kann jedenfalls nicht ausschließen, dass Möbus während der Haft an Nazi-Literatur herankam. «Er holte hier sein Abitur nach. Seine Schwer punkte: Geschichte und Soziologie.»
Der pensionierte Hauskeller kennt einen anderen Möbus: einen verklemmten, introvertierten Jungen, der von ihm die Taufe empfing und seinen Religionsunter rieht besuchte. Doch mit der 1992 gegründeten Black-Metal-Band «Absurd» flüchtet sich Möbus in eine Ersatzreligion. «Kinder des Satans» nennt sich die Clique, «Tod im Wald» oder «Zyklon B» heißen zwei ihrer Titel.
Auch Sandro Beyer fühlt sich von dieser zur Schau getragenen Opposition angezogen - doch die Gruppe verstößt ihn, weil er nicht böse genug sei. Da zieht Sandro öffentlich gegen die «Satanisten» zu Felde: «Diese Leute sind so arrogant, intolerant, verlogen und nur auf Show aus. Hendrik, der Sänger, hat mal gesagt: >Auffallen ist alles. Der Rest zählt nichtk Wie doof war ich denn, mich mit solchen Dingen zu identifizieren?», schreibt er in Briefen. Wochen später findet man ihn in einem Erdloch, erdrosselt mit einem Stromkabel. «Wir haben die Signale nicht ernst genommen», sagt Hauskeller.
Und heute? Die Mörder von damals sind in der Black-Metal-Szene längst zu Helden geworden: «Absurd» wird im Internet angepriesen als «die Band, deren Mitglieder einen Mord begingen». In Sondershausen wird per Auto-Aufkleber «Kill the popes» (Tötet die Pfarrer) gefordert. Ende 1994 steckten umgedrehte Kreuze in Sandros Grab. Von der Zahl seitdem geschändeter Friedhöfe und Kirchen ganz zu schweigen. «Die Zahl derer, die sich zum Satanismus bekennen, hat zugenommen», sagt Hauskeller, der in Sachen Satanismus an Thüringer Schulen unterwegs ist.
Helmut Roewer dagegen, Thüringens geschasster Verfassungsschutzpräsident, empfand weniger die Zahl der Satanisten im Freistaat als vielmehr die Verquickung von Aggressionspotenzial, extremistischem Gedankengut und Publikationsmöglichkeiten beunruhigend: «Das ist kein Extremismusproblem, das ist ein massives Jugendproblem - die sind einfach irre.» Derweil stichelt der «irre» Möbus noch aus der Haft heraus mit Interviews hart am Rande der Legalität: «Ich betrachte den deutschen Nationalsozialismus als die perfekte Synthese aus dem satanisch-luziferischen Willen zur Macht, dem elitären Sozialdarwinismus und dem arisch-germanischen Heidentum», heißt es beispielsweise im Szenemagazin «Stormblast».
Nach der Freilassung auf Bewährung verhält sich Möbus gerade so, als wolle er schnellstens zurück hinter Gitter. Am 14. Juli 1999 verurteilt ihn das Amtsgericht Eisenach zu acht Monaten Freiheitsentzug wegen Verwendens verfassungswidriger Symbole. Am 19 November desselben Jahres folgt das Urteil am Amtsgericht Berlin-Tiergarten: ein Jahr und sechs Monate wegen Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener. Schon drei Wochen zuvor hat das Amtsgericht Erfurt die Bewährung aufgehoben. Doch zur Vollstreckung der Haftbefehle kommt es nicht mehr - Möbus taucht unter. Die Behörden vermuten Möbus mal in Skandinavien, mal in Russland. Schließlich wird er im im August 2000 in den USA verhaftet.
Mit dem von ihm gestellten Asylantrag droht neues Ungemach: «Was wir Möbus hier vorwerfen, ist in den USA nicht strafbar», räumt Amtsgerichts-Präsident Lass ein. Dort könne man sich zudem nicht vorstellen, dass ein Mörder auf Bewährung rauskomme - weshalb Möbus in den Augen der USA im Umkehrschluss kein Mörder, sondern politisch Verfolgter sein könnte. Die auf den morgigen Freitag anberaumte Verhandlung über den Asylantrag feiern Möbus Kameraden als «großen Schritt nach vorn». In der Tat räumt Staatsanwältin Zelda Wesley ein, dass der Antrag nicht einfach beiseite gewischt werden könne. Nur eine Aussage Möbus könne sie ihm wirklich übel nehmen: Seine Ethik sei «archaisch und in keiner Weise kompatibel zu jüdisch-christlicher Moral». Eine Gratwanderung für die amerikanischen Richter.
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