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  • Politik
  • »Wetten dass ...?« Das große Gähnen vor dem Jubiläum

Grabbeln an der Wade

  • Peter Hoff
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass mit einem Zusammenschnitt (The Best of...) aus fünf Jahrzehnten «Mainz, wie es singt und lacht» außerhalb der Rhein-Main-Saar-Ruwer Region kein Gebührenzahler mehr auf die Fernsehcouch zu locken ist; dass auch der am meisten leidensbereite und -fähige Telemasochist schon lange nicht mehr in den Schlussgesang der Mainzer Hofsänger vom Tag, der so wunderschön wie heute ist und nie vergehen möge, einzustimmen bereit ist: Das, sehr verehrtes Publikum, wissen die Programmgestalter der ARD sehr genau. Und so konnten sie ihr Medley mit den Protagonisten rheinischen Frohsinns keck auf den Samstagabend zu bester Sendezeit platzieren. Denn da hing die Nation ohnehin bei Gottschalks «Wetten dass ...?»im Zweiten rum. Und die Programmverantwortlichen am Lerchenberg im medienpolitischen Mainz, dem Sitz des ZDF konnten ihrer seits sicher sein, dass die Sendereihe, deren 127 Ausgabe sie auf die Zuschauer losließen, im Vergleich zur Narretei im Ersten noch fast jugendfrisch anmuten musste. Denn erst 1981 hatte Frank Elstner die Show um unglaubliche Leistungen, deren Gelingen zumindest so zweifelhaft erschien, dass man darüber Wetten abschließen konnte, erstmals auf die Bühne und ins Programm des ZDF gestellt.

Damals war alles noch viele Nummern kleiner, weniger Show und mehr Einsatz des Moderators, der verbal die Zweifel der Zuschauer am möglichen Misslingen zer streuen und die Spannung am Kochen halten musste. Aber damals gab es auch nur fünf Programme (zumindest im Raum Berlin, in grenzfernen Regionen des Vaterlandes Ost wie West sah es noch trüber aus), und der Samstagabend war noch Familienabend vor der Glotze.

Bis 1986 hielt Frank Elstner bei «Wetten dass...?» die Bank, dann kam erstmals Gottschalk, der sich einige Jahre später aber wieder von der Sendung, die Konjunktur des nunmehr «dualen Fernsehsystems» ausnutzend, verabschiedete und sich von den Privaten die Super-Nase ver golden ließ. Die Rekordeshow war damals ein abgelutschter Knochen, um den sich kein Hund mehr balgen mochte.

Aber tragfähige Unterhaltungsideen wurden in einer Fernsehwelt von gleichsam unendlicher Ausdehnung rund um die Uhr und um den Globus schier unbezahlbar, während selbst die umworbensten Entertainer schon nach kurzer Zeit die Erfahrung machen mussten, dass sie ohne Verlust durch andere ersetzbar sind und es folglich nicht unangebracht ist, das eigene Süppchen am Kochen zu halten. Und so‹fanden sich Gottschalk und ZDF vor einigen Jahren wieder zusammen, um das Wrack «Wetten dass...?» aufzumöbeln und, neu gestylt und geliftet, weiterhin auf große Fahrt zum Kap der guten Quotenhoffnung zu entsenden.

Im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen ist «Wetten dass ...?» heute eine der letzten großen Samstagabendshows. Kein Geld in den Gebührenkassen! Mal gerade alle zwei Monate können sich die Mainzelmännchen den kostenver schlingenden Aufwand an Ausstattung, Technik und Personalkosten leisten. Und auch das nur mit der Unterstützung von Sponsoren. Gummibärchen federn die Sendung vor Beginn und nach dem Ende bereits ökonomisch ab. Dazwischen gibt es immer mal wieder ein bisschen kaum noch versteckte Werbung: vom Abfüllautomaten eines deutschen Maschinenher stellers über die «Gute Sache», die Alfred Biolek als UN-Botschafter für die Weltbevölkerung unter den AIDS-gefährdeten schwarzen Einwohnern Südafrikas ver tritt, oder die Eigenwerbung des Senders für seine samstägliche Krimireihe «Ein starkes Team», deren Hauptdarsteller Maja Maranow und Florian Martens die Wettgemeinschaft auf Gottschalks Gästecouch verstärkten - bis hin zur Strumpfhosenmarke, die ein Kandidat vermittels Grabbeln an Waden, Zehen und am Bund bei vier Playmates und Sabrina Setlur er riet.

Nein, es war noch nicht die Jubiläumsshow von «Wetten dass ...?». Die bereitet das ZDF gerade im Internet vor. Die Zuschauer dürfen dort die nach ihrer Meinung besten Wetten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten wählen. Die Wetten diesmal, bis auf die jungen Damen der Schwimmstaffel, die ein Tablett ohne Zuhilfenahme der Hände quer durch ein Schwimmbecken beförderten, waren eher bescheiden. Und der Showteil war (bis auf die «River-Dancer») nicht sonderlich originell, die Witze abgestanden und die Gäste, bis auf Diego Maradonna, langweilig. Es war ein lang gedehnter Samstagabend auf dem Zweiten. Nur nicht verausgaben! Der Countdown zum zwanzigsten Jahrestag läuft!

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