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Grüne Kittel, rote Zahlen

Das Krankenhaussystem droht zusammenzubrechen / Länder, Kliniken, Kassen und Politik schauen zu

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Kliniken - oftmals letzte Hoffnung für Patienten - kommen nicht aus den Schlagzeilen heraus. Unnötige Operationen, schlechte Qualität und rote Zahlen bestimmen die Diskussion.

Rund 200 Krankenhäuser haben in den letzten zehn Jahren schließen müssen, aktuell sind viele von ihnen - so im hessischen Helmarshausen, in Willich am Niederrhein oder das Evangelische Krankenhaus Regensburg - genau davon bedroht. Das hängt mit den Kosten zusammen, aber auch mit Überkapazitäten und Gewohnheiten.

Wie aus der jüngsten Ausgabe von »Gesundheit auf einen Blick« der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht, kamen in Deutschland 2011 auf tausend Einwohner 244 Klinikaufenthalte. Der OECD-Schnitt liegt bei 156. Doch Krankenhausbehandlungen werden teurer, obwohl weniger Personal als früher dafür zur Verfügung steht. 2012 war ein Durchschnittsfall in einem von etwas über 2000 Krankenhäusern um 2,5 Prozent teurer als im Jahr zuvor, wie aus neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Die Hälfte aller Kliniken arbeitet mit Verlust. Zusammenlegungen, das Ausgliedern von Servicebereichen und Privatisierungen liegen im Trend. Patienten müssen Nachteile wie beispielsweise weite Entfernungen zur Klinik in Kauf nehmen, ganz zu schweigen von Qualitätsmängeln oder Hygieneproblemen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft weist jede Verantwortung für diese Entwicklung zurück. »Wenn mittlerweile 50 Prozent der Kliniken rote Zahlen schreiben, kann das nicht an den Häusern liegen«, sagt ihr Präsident Alfred Dänzer. Damit blendet er aus, dass private Kliniken - immerhin ein knappes Drittel aller Häuser - Rendite erwirtschaften müssen und die Finanzierungsstrukturen mit festen Summen für jeden Behandlungsfall so ausgerichtet sind, dass bestimmte Eingriffe gern öfter vorgenommen werden, weil sie die Kasse füllen. Das ist sicher ebenso wenig im Sinne der Patienten wie die Weigerung der Bundesländer, ihren Finanzierungspflichten für Gebäude und Geräte in den Krankenhäusern nachzukommen. »Der Investitionsstau für Sachmittel ist auf über 25 Milliarden Euro angelaufen«, sagt Harald Weinberg von der LINKEN im Bundestag. Dadurch seien die Kliniken gezwungen, Geld für nötige Investitionen aus dem Budget für die Behandlung abzuzweigen. Das aber kommt von den Krankenkassen, die sich ebenfalls nicht in der Pflicht sehen. Ihre Zahlungen seien im vergangenen Jahr schneller gestiegen als die Ausgaben, sagt Florian Lanz vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und mahnt Strukturreformen an.

Bleibt die Politik als Retterin der Krankenhäuser und der über eine Million Beschäftigten im blassgrünen Kittel. Doch die verweigert sich seit Jahren und regelt lieber Wartezeiten auf einen Facharzttermin, weil ihr damit Lob in der Öffentlichkeit garantiert ist. Für Kliniken hält sie ein Almosen bereit, einen Rettungsfonds mit 500 Millionen Euro.

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