Kettensägenfakten

Umweltverband BUND wirft NRW-Behörden zu große Nähe zu RWE vor

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Energieriese RWE habe illegal ein geschütztes Waldgebiet um den Tagebau Hambach bei Köln gerodet, klagt der Umweltverband BUND. Und wirft den Aufsichtsbehörden »Kumpanei« vor.

RWE soll im Rheinischen Braunkohlerevier bei Köln illegale Rodungen im großen Stil betrieben haben. Das wirft der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) dem in Nordrhein-Westfalen mächtigen Energiekonzern vor. Für die Rodungen im Hambacher Forst, der RWEs Tagebau Hambach weichen soll, seien »umfassende artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen« nötig gewesen.

Diese habe das Essener Unternehmen aber schlicht nicht besessen, so der NRW-Geschäftsleiter des BUND-Landesverbandes NRW, Dirk Jansen. Erst im Nachhinein, nämlich im Oktober 2013, seien sie erteilt worden. Damit werde indirekt bestätigt, dass RWE »mit den Rodungen in der Periode 2012/2013 gegen artenschutzrechtliche Verbote verstoßen hat«, so Jansen weiter.

Die Zerstörung der »unersetzbaren Wälder« sei nur durch eine »Kumpanei zwischen Bergbau und Naturschutzbehörden« möglich gewesen, erhebt der Geograf Jansen schwere Vorwürfe. Beantragt habe RWE die Genehmigungen erst nach einer einschlägigen Klage des BUND. Das Unternehmen (Eigenwerbung: »voRWEg gehen«) habe jedoch vorab »Fakten mit der Kettensäge« geschaffen.

Kritik am grünen Landesminister für Klima, Umwelt und Natur, Johannes Remmel, übt derweil der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. »Während Remmel die immer länger werdenden Listen der gefährdeten Pflanzen- und Tierarten beklagt, erteilen die Naturschutzbehörden vor Ort die von RWE zur Fortführung des Tagebaus dringend benötigten Ausnahmegenehmigungen zur Tötung seltener Fledermäuse und Vögel«. Das habe mit einer konsistenten Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt nichts zu tun, kritisiert Sticht die Genehmigungen. Kurzum: Zwar gibt es wunderbare Strategien und Leitfäden in Sachen Artenschutz. Gewisse Behörden scheinen sie aber schlicht zu ignorieren. Mancher wittert dahinter Strategie.

Die Zerstörung des Hambacher Waldgebietes bleibt hochgradig umstritten. Nicht nur aus artenschutzrechtlichen Gründen: Der Tagebau Hambach liefert wie auch sein benachbartes Pendant bei Garzweiler Brennstoff für mehrere Braunkohlekraftwerke, die RWE im »Revier« betreibt. Sie zählen zu den klimaschädlichsten Anlagen Europas. RWE befeuert in der Region also die beiden größten globalen Umweltprobleme überhaupt: Den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität mit der Artenvielfalt als Teilaspekt.

Seit rund zwei Jahren häufen sich Proteste und Aktionen zivilen Ungehorsams gegen Rodungen sowie Kraftwerksbetrieb. So besetzten Aktivisten mehrfach den Hambacher Forst. Republikweite Schlagzeilen erzeugte Ende letzten Jahres eine mehrtägige Räumungsaktion, bei der ein Braunkohlegegner sich in einem unterirdischen Tunnel verschanzt und mit der Polizei Katz und Maus gespielt hatte.

Weil darin aus seiner Sicht der Artenschutz nicht berücksichtigt wurde, klagte der BUND im Dezember 2012 gegen einen Betriebsplan für den Tagebau Hambach. Diese Klage lehnte das Verwaltungsgerichts Aachen ab - neun Monate später, während derer RWE zeitweilig weiter rodete. Begründung: Es sei höchst fragwürdig, ob der Verband überhaupt klageberechtigt sei. Falls ja, so habe er sein Klagerecht verwirkt, da er zu spät geklagt habe.

Der BUND sprach von einer »Gefälligkeitsentscheidung für RWE«. Man habe unmittelbar, nachdem man den Hauptbetriebsplan übermittelt bekommen habe, Klage eingereicht. Nur über Umwege habe man überhaupt von dessen Existenz erfahren. Der Plan sei im stillen Kämmerlein entschieden worden, der BUND hat ihn nach eigener Angabe aus eigener Initiative anfordern müssen. Das Datum des Inkrafttretens sei der Öffentlichkeit schlicht nicht bekannt gewesen. Also habe man auch keine Fristen verpassen können.

Mit »fadenscheinigen formalen Argumenten« habe sich das Gericht um eine inhaltliche Klärung der aufgeworfenen Fragen gedrückt, lautete der Vorwurf des BUND. Gestern nun verkündeten die Umweltschützer, auf eine Berufung zu verzichten. »Recht haben und Recht bekommen sind immer noch zweierlei, insbesondere wenn es um Bergbauinteressen geht«, so Geschäftsleiter Jansen. Doch sei man von der Rechtswidrigkeit des beklagten Betriebsplans auch weiterhin überzeugt und behalte sich weitere Rechtsmittel vor.

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