Pille für zudringliche Affen

Indiens Behörden wehren sich gegen unkontrollierte Vermehrung tierischer Stadtbewohner

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer zunehmenden Affenplage in den rasant wachsenden Städten kämpft Indien. Das Land sucht nach Möglichkeiten, das Problem in den Griff zu bekommen.

Seit Jahren wächst in Indien nicht nur die Bevölkerung rasant. Auch die Städte dehnen sich immer weiter ins Land aus. Dabei werden häufig ganze Wälder abgeholzt, die zuvor vielen Tierarten als Lebensraum dienten. Welche fatalen Folgen eine solche Entwicklung haben kann, zeigt das Beispiel der Rhesusaffen, die auf der Suche nach Nahrung inzwischen selbst zu Stadtbewohnern und damit vielerorts zu einer regelrechten Plage geworden sind. Denn die agilen Tiere brechen in die Vorratsspeicher der Häuser ein, zerkauen die Internetkabel und greifen bisweilen sogar Menschen an.

Zu einem tragischen Zwischenfall kam es in der Millionenstadt Delhi. Hier stürzte der Vizebürgermeister beim Versuch, eine Horde Rhesusaffen zu verjagen, vom Balkon seines Hauses und erlag später seinen Verletzungen. Nicht einmal der gut gesicherte Gebäudekomplex des indischen Verteidigungsministeriums ist für die Affen ein Hindernis. Vor einigen Jahren entwendeten sie dort zahlreiche Geheimdokumente und verstreuten diese anschließend in einer öffentlichen Parkanlage.

Alle Versuche der indischen Regierung, das hausgemachte Affenproblem zu lösen, sind bisher gescheitert. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn strenggläubige Hindus halten es gewissermaßen für ihre religiöse Pflicht, die als heilig verehrten Rhesusaffen heimlich mit Erdnüssen und Bananen zu füttern.

Laut einem Bericht der britischen Zeitung »The Telegraph« wollen die Behörden in Delhi das Problem deshalb jetzt an der Wurzel packen und die unkontrollierte Vermehrung der Affen durch Verhütung stoppen. Gemeinsam mit dem Nationalen Primatenzentrum in Kalifornien (USA) hat das »Wildlife Institute of India« eine spezielle Antibabypille für Rhesusaffenweibchen entwickelt. Wie und wie hoch dosiert das Verhütungsmittel den Tieren am besten zu verabreichen ist, wird derzeit in einem Freilandversuch erforscht – in Uttarakhand, einem indischen Bundesstaat am Fuße des Himalaya, in dem Tausende von Rhesusaffen die Straßen belagern, so dass viele Menschen es kaum noch wagen, das Haus zu verlassen.

Sofern man einzelne Affenweibchen einfangen kann, werden diese sterilisiert und dann wieder in der Freiheit ausgesetzt. Für andere Weibchen legt man im Gelände Futter aus, in dem ein orales Kontrazeptivum enthalten ist. »Dieses Verfahren hat den großen Vorteil, dass es keinen chirurgischen Eingriff erfordert«, sagt Praveen Chandra Tyagi, Zoologe am »Wildlife Institute«, der mit seinen Kollegen allerdings noch prüfen will, ob die Einnahme des Verhütungsmittels zu gesundheitlichen Schäden bei Affen führt oder deren Verhalten nachteilig beeinflusst.

Erfahrungen hierzu gibt es bereits. Sie stammen vornehmlich aus Zoologischen Gärten, in denen Tiere oft mehr Junge gebären als Platz dafür vorhanden ist. Deshalb kommen auch hier Verhütungsmittel zum Einsatz. Manchen Weibchen wird die Pille verabreicht, anderen ein Hormonimplantat eingesetzt.

So tragen etwa die mit den Rhesusaffen verwandten Rotgesichtsmakaken in manchen Zoos ein Stäbchen unter der Haut, das Progesteron freisetzt. Auch Frauen, die nicht schwanger werden wollen, lassen sich mitunter ein solches Implantat einsetzen.

Gleichwohl sind Verhütungsmittel, die bei Menschen gut funktionieren, nicht für alle Tierarten geeignet. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass traditionelle Kontrazeptiva bei Raubkatzen zu einem erhöhten Krebsrisiko führen. Ob eine ähnliche Gefahr auch für Affen besteht, sollte mithin gründlich untersucht werden. In Indien ist man gerade dabei, dies zu tun. Aber selbst eine mit Unsicherheiten behaftete Geburtenkontrolle ist immer noch besser als die in vielen Teilen der Welt praktizierte Tötung »unerwünschter« Tiere.

Wenn Tiere vor der Glotze hocken

Stuttgart. Banbo hat es als Erste begriffen. Mit gezieltem Daumendruck hat die Zwergschimpansin den Fernseher angeschaltet. Liboso tritt manchmal mit dem Fuß gegen die Mattscheibe. Der Rest der Affenbande schaut nur zu. Affen vom Fernsehen zu überzeugen ist nicht so einfach, wie die US-Primatenforscherin Amy Parish im Stuttgarter Zoo feststellen muss. Bis Frühjahr 2014 will die 47-Jährige dort das Fernsehverhalten von Primaten studieren – an Zwergschimpansen, die auch Bonobos genannt werden.

Über Knöpfe können die Affen Filme mit fünf verschiedenen Inhalten anwählen. Es geht um Sex, Spiel oder Aggressivität. Immer sind Affen die Hauptdarsteller. Parishs Untersuchungen sind nicht die ersten mit fernsehenden Affen. In Stuttgart dürfen sie jedoch selbst die Knöpfe drücken und die Programme anwählen. »Es ist ein weltweites Pilotprojekt«, so Parish. Für welche Themen interessieren sich die Affen? Schauen Männchen andere Programme als Weibchen? Welche unterschiedlichen Geschmäcker gibt es in der Gruppe?

Banbo braucht etwas Zeit, um den An-Knopf zu finden. Sie stammt aus einem Zoo in Großbritannien. Dort zeigten Forscher vor Jahren Affen Filme mit anderen Tieren. Raubtiere seien mit »Missbilligung« kommentiert worden, so eine Tierpflegerin. Für kleinere Tiere habe es »Ooohs« und »Aaahs« gegeben. Die Bonobos hätten Zeichentrick- und Tierfilme bevorzugt. Sie liebten Action und bunte Farben. Als der Fernseher mal defekt war, sei der Mechaniker, der das Gerät zurückbrachte, mit Ovationen empfangen worden. dpa/nd

 

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