Böse Miene zu gutem Spiel
In den bayerischen Ostalpen gehen die Krampusse um - und die Perchten machen sich schon bereit
Hakennasen, stechende Augen, graue Zungen, zottelige Haare, wilde Hörner: Läuft man durchs Haus von Marius Brandner (29), kann man in einigen Zimmern schon erschrecken. »Irgendwo liegt immer so eine Fratze herum«, seufzt sein Vater und lacht. Marius' großes Hobby ist das Maskenschnitzen, vor allem von schaurigen Perchten- und Krampusmasken. Mit 14 Jahren hat Marius Brandner zum ersten Mal am Krampuslauf im heimischen Berchtesgaden teilgenommen - und dafür eigens eine Maske geschnitzt.
Im alpenländischen Brauchtum gehören maskierte und verkleidete Schreckgestalten zur Tradition der dunklen Jahreszeit. Der Krampus ist der Begleiter des Nikolaus, vom Aussehen her ähnelt er dem Teufel, meist ist er mit einem zotteligen Fell bekleidet und hat Hörner. Am 5. und 6. Dezember ziehen bei den sogenannten Krampusläufen ganze Gruppen durch die Straßen. Auch für die traditionellen Perchtenläufe zwischen Weihnachten und 6. Januar setzen sich die Teilnehmer gruselige Holzmasken auf. So soll zum Jahreswechsel das Böse vertrieben werden. Die alte Tradition begeistert auch junge Leute - wie den Maskenschnitzer Marius Brandner.
Der Krampus ist im ostalpenländischen Brauchtum der Begleiter des Nikolaus: Am 6. Dezember bekommen die braven Kinder Geschenke vom Nikolaus, die unartigen Kinder werden vom teufelähnlichen Krampus »bestraft«. Die beiden treten immer zusammen auf, der Krampus hat aber dem Nikolaus zu gehorchen. Die klare Rollenverteilung soll zeigen, dass das Gute über das Böse siegt. Krampusse erscheinen sehr oft auch in Gruppen.
Die Perchten treiben in den zwölf Raunächten zwischen Heiligabend und Epiphanias (6. Januar) ihr Unwesen. Die Raunächte sind die längsten Nächte des Jahres und wurden früher als besonders bedrohlich empfunden. Bei Perchtenläufen setzen sich die Teilnehmer gruselige Masken auf und tragen Kleidung aus Fell oder Stroh. Mit Lärm soll das Böse vertrieben und das Gute - etwa der warme Frühling - angelockt werden. epd/nd
Anscheinend war ihm die Maske für seinen ersten Krampuslauf gut gelungen, »denn plötzlich wollten meine Freunde auch solche Masken haben, mein Hobby war damit geboren«, erinnert er sich. In den vergangenen Jahren habe er immer so um die 25 Masken geschnitzt - alles Unikate, vor allem aus Linden-, Zirben- und Weymouthkiefer-Holz sowie Wurzeln. Eigentlich könnte er mit Schnitzen sein Geld verdienen, doch da schüttelt Marius Brandner sofort den Kopf. »Dann wäre es ja kein Hobby mehr. Das Schnitzen ist für mich eine entspannende und kreative Tätigkeit.« Da sei er völlig konzentriert, zudem liebe er den Duft von Holz. Manchmal sei er acht Stunden am Stück mit seinen Masken beschäftigt und vergesse alles um sich herum. Derzeit studiert er noch im nahen Salzburg und »will später im Bereich Psychologie und Pädagogik tätig sein«. Bei seiner Schnitzerei hält sich Marius Brandner immer an die heimischen »Brauchtumsregeln«: Die Berchtesgadener Masken etwa seien einfach und grob gehalten. Daher setze er seinen Masken auch keine rot leuchtenden Augen ein, zu »krass« und »halloweenartig« dürfen sie nicht sein. »Durch meine Arbeit entwickle ich ja unser Brauchtum mit, das soll dann nicht plötzlich in eine völlig andere Richtung laufen. Ich will urige Masken machen, die hierher passen.«
Das grobe Schnitzen sei übrigens viel schwerer als das feine, erklärt Brandner in seiner Werkstatt, wo er gerade an einem Wildschweinkopf mit Ziegenhörnern arbeitet. Beim Feinschnitzen ließen sich Fehler noch korrigieren. »Hau ich aber beim groben Schnitzen ein Stück zu viel weg, dann war's das«. Grob gehaltene Masken hätten auch von weitem eine größere Wirkung, sagt er und beäugt kritisch die Augenpartie des neuen Werkes.
Auch auf die Unterscheidung zwischen Krampussen und Perchten legt er Wert - und bekommt dafür Lob von Brauchtumsexperten wie Michael Stöhr. Die jungen Leuten wollten immer gruseligere Masken, die mit Brauchtum überhaupt nichts mehr zu tun hätten, kritisiert der Leiter des Maskenmuseums im schwäbischen Diedorf bei Augsburg. Außerdem vermischten sie zu sehr die Perchten- und Krampustradition.
Marius Brandner kennt den Unterschied: Krampusse haben meist nur zwei Hörner, die Perchten oft mehr. Aber sich nur auf Perchten und Krampusse festlegen, das will Marius Brandner mit seiner Schnitzerei sowieso nicht. Seiner Freundin habe er zum Beispiel einmal eine Eulenmaske geschenkt, immer wieder werde er auch fürs »Porträtschnitzen« angefragt. Irgendwann wolle er sich auch mal an einen »ausdrucksstarken« Jesus am Kreuz heranwagen. Derweil gibt er immer wieder Masken für Michael Stöhrs Museum ab: »Niemals aber meine allererste Maske. Die ist wie der erste Kreuzer von Dagobert Duck, den gibt man nicht her.« epd/nd
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