Dunkle Farbe, schneller Tod

Für Aspis-Vipern in den Alpen ist Melanismus zweischneidig

  • Kai Althoetmar
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in den Alpen beim Wandern auf eine dunkel gefärbte Schlange trifft, braucht nicht gleich eine Schwarze Mamba vor sich wähnen. Die für Menschen eher mäßig gefährliche Aspis-Viper, die normalerweise ein Zackenmuster auf braunem oder hellgrauen Grund trägt, tritt in den Alpen häufig in rein schwarzer Gestalt auf. Melanismus nennt man dieses Phänomen im Tierreich.

Wissenschaftler der Universität Lausanne und der in Neuchâtel ansässigen Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (KARCH) untersuchten in den Voralpen, welche Auswirkungen die Dunkelfärbung auf die auch Juraviper genannte Vipera aspis hat.

Die vor allem in Frankreich, Italien und der Schweiz verbreiteten Schlangen leben sowohl im Flachland als auch in Höhen bis über 2000 Metern. In Deutschland kommt die Schlange nur im äußersten Südwesten des Schwarzwalds vor.

»Die Haut melanistischer Individuen reflektiert weniger Licht und erwärmt sich schneller«, schreiben die Wissenschaftler um Sylvain Dubey im Fachblatt »Journal of Zoology« (Bd. 290, S. 273). »Die optimale Körpertemperatur wird leichter erreicht als bei helleren Individuen.« In kühleren Bergregionen bringt das den schwarzen Exemplaren einerseits mehr Zeit für die Jagd und damit schnelleres Wachstum. Andererseits können sie sich schlechter vor Feinden verbergen.

Wie sich die Vor- und Nachteile konkret auf Bergpopulationen der Aspis-Viper auswirken, untersuchten die Forscher im Kanton Waadt und im Berner Oberland. Während von den im Waadtland gefangenen 128 Vipern mehr als zwei Drittel melanistisch waren, sind es im Berner Oberland nur 37 Prozent der Vipern. In beiden Gegenden waren Vipern mit Zackenmuster in höheren Lagen überrepräsentiert. Damit sind sie auch oberhalb der Baumgrenze gut getarnt und vor Raubvögeln wie Bussard und Kolkrabe halbwegs geschützt.

Im eher offenen Lebensraum des Berner Oberlands fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen Höhenlage, Farbe und Körperlänge: Bei den melanistischen Vipern nimmt die Körperlänge mit der Höhenlage ab. Die Lebenserwartung sinkt, je höher das Habitat liegt. Viele dunkle Vipern erreichen dort infolge der schlechten Tarnung nicht das Erwachsenenalter.

Vor allem dunkle Männchen haben es in den Hochlagen schwer, weil sie auf der Suche nach Weibchen ihre Verstecke verlassen müssen. Vipern-Männchen profitieren daher nicht von schwarzer Färbung.

Der untersuchte Lebensraum im Kanton Waadt mit Lagen bis knapp 1600 Metern Höhe ist dagegen überwiegend bewaldet. Der Befund dort: Schwarz gefärbte Weibchen sind in besserer Verfassung als gemusterte.

»Die Vorteile von Melanismus sind immer von der Gesamtsituation abhängig«, folgert die Studie. Tendenziell bringt Melanismus den weiblichen Vipern einen Bonus. Von Vorteil ist Schwarzfärbung vor allem in mittleren Lagen - in kühlen und schattigen Wäldern. Oberhalb der Baumgrenze aber erwartet schwarze Vipern viel schneller der Tod, vor allem die männlichen Tiere.

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