Bei Hartz-IV-Kürzung ist Anhörung Pflicht

Urteile auf einen Blick

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Ohne eine Anhörung dürfen Jobcenter Hartz-IV-Beziehern nicht die Leistung kürzen. Diese ist bei der Kürzung bereits bewilligter Hilfeleistungen notwendig, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am 17. Oktober 2013 in Kassel (Az. B 14 AS 38/12 R).

Damit bekam der Vater einer fünfköpfigen Familie Recht. Der Hartz-IV-Bezieher hatte wegen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs eine Abfindung in Höhe von 13 000 Euro erhalten. Das Jobcenter rechnete davon 1000 Euro monatlich nachträglich auf die Hartz-IV-Leistung an.

Doch das BSG stellte fest, dass die Behörde es versäumt hatte, den Familienvater zu der Hilfekürzung anzuhören. Dies sei aber nach den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtend. Die Anhörung könne zwar auch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden, nicht aber, wenn das Verfahren bereits beim BSG gelandet ist.

Landessozialgericht: Für stillende Mütter kein höherer Hartz-IV-Satz

Eine stillende Mutter kann nach einem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in Darmstadt vom 15. Oktober 2013 (Az. L 6 AS 337/12) keinen Zuschlag auf den Hartz-IV-Regelsatz beanspruchen. Anders als für schwangere Frauen sei ein Mehrbedarf für stillende Mütter gesetzlich nicht vorgesehen, so das LSG.

Die Klägerin hatte darauf verwiesen, dass stillende Mütter in den ersten vier Monaten nach der Geburt des Kindes einen um 635 Kilokalorien erhöhten Energiebedarf hätten. Gegenüber schwangeren Frauen, bei denen ein Mehrbedarf anerkannt werde, liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Das Gericht ließ keine Revision zu.

Bundesverwaltungsgericht: Bundeswehr muss Kinderwunsch finanzieren

Die Bundeswehr muss bei unfruchtbaren Soldatinnen mit Kinderwunsch eine künstliche Befruchtung ermöglichen. Die bisherige Praxis, Leistungen der Heilfürsorge in Form der kostenfreien truppenärztlichen Versorgung per interner Verwaltungsvorschrift auszuschließen, ist verfassungswidrig. Zu dieser Entscheidung kam das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am 10. Oktober 2013 (Az. BVerwG 5 C 29.12). Erforderlich sei für den Leistungsausschluss vielmehr ein Gesetz.

Geklagt hatte ein weiblicher Oberfeldwebel. Die Zeitsoldatin litt an einem beidseitigen Verschluss der Eileiter, so dass sie auf natürlichem Wege kein Kind empfangen kann. Sie beantragte daher, dass ihr im Rahmen der kostenfreien truppenärztlichen Versorgung eine künstliche Befruchtung bezahlt wird. Doch die Wehrdienstbereichsverwaltung Süd in Stuttgart lehnte dies ab.

Die truppenärztliche Versorgung diene der Erhaltung und Wiederherstellung der Dienst- und Einsatzfähigkeit von Soldaten und nicht dem Kinderkriegen. Daher würden die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Maßnahmen der Familienplanung von der kostenfreien Versorgung ausschließen.

Die Anwendung dieser Vorschriften ist verfassungswidrig, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Denn die Verwaltung dürfe nicht selbst den Umfang wesentlicher Gesundheitsleistungen durch rein interne Vorschriften bestimmen. Dies sei nur dem Parlament mit einem Gesetz erlaubt.

Bis zu einer gesetzlichen Regelung sind die Vorschriften trotz ihrer Verfassungswidrigkeit noch anzuwenden. Dies gelte nicht für ab Mitte 2004 festgelegte Leistungsausschlüsse, zu dem auch die künstliche Befruchtung zählt. Die Zeitsoldatin habe daher Anspruch auf entsprechende medizinische Hilfe. epd/nd

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