Der Geldmacher mit dem Saxofon

Der scheidende US-Notenbankchef Ben Bernanke feiert am Freitag seinen 60. Geburtstag

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Fed-Chef Ben Bernanke bekämpft die Finanzkrise mit Geldfluten. Für ihn ist das die Lehre aus der Großen Depression von 1929.

Über Ben Bernankes berufliches Schicksal entschied die amerikanische Präsidentschaftswahl. Allerdings anders als ursprünglich gedacht: Der Kandidat der Republikaner, Mitt Romney, hatte für den Fall seines Wahlsieges im November angedeutet, dass er die Amtszeit des Wirtschaftsprofessors an der Spitze der US-Notenbank Fed beenden will. Doch vor die Tür wurde Bernanke vom alten und neuen demokratischen Präsidenten Barack Obama gesetzt. Aber das ist nicht der einzige finstere Schatten, der auf den 60. Geburtstag am Freitag fällt.

Ben Shalom Bernanke wurde das Geldmachen nicht in die Wiege gelegt. Er wuchs in Dillon, einem 6000-Seelen-Nest tief in South Carolina, auf. Bens Vater war Apotheker und leitete nebenher eine Theatergruppe, die Mutter arbeitete als Lehrerin. Bernankes Familie soll tief im Judentum verwurzelt sein. Von seinem Großvater, der 1921 aus dem ehemals österreichisch-ungarischen Galizien eingewandert war, lernte er Hebräisch. Der Saxofonspieler legte den High-School-Abschluss in Dillon als Jahresbester ab, studierte Ökonomie an der Harvard Universität - der ältesten Uni in den USA - und promovierte bei Stanley Fischer, dem späteren Chef der Notenbank Israels, am legendären Massachusetts Institute of Technology (MIT). Bernankes wissenschaftliche Karriere blieb dennoch unscheinbar. Sie gipfelte an der dritten Eliteschmiede Princeton: Er wurde Sprecher seines Fachbereiches. Im Jahr 2002 wechselte der Republikaner in den Vorstand des Federal Reserve Systems. Die US-Notenbank wurde damals noch vom charismatischen Alan Greenspan geleitet.

Charismatisch ist Bernanke nicht. Aber der um Klarheit bemühte Professor wusste die vielen Instrumente der größten Gelddruckmaschine der westlichen Welt zu spielen. Im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank (EZB), die nach dem Vorbild der Bundesbank alles unter das Ziel der »Preiswertstabilität« stellt, soll die 1913 gegründete US-Notenbank zudem die Zahlungsbilanz im Auge behalten, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Jobs sichern. Diese Zielvorgaben bleiben allerdings dehnbar, während die EZB bei Inflation (»nahe unter zwei Prozent«) auf eine konkrete Zielmarke festgelegt ist. Im Ergebnis haben die Fed-Akteure in Washington mehr Spielraum für ihre Geldpolitik als die EZB-Spitze in Frankfurt. Bernanke ist aber auch politischem Druck aus Washington stärker ausgesetzt, da er sich nicht hinter klaren Regeln verschanzen kann. Welcher der vagen Zielvorgaben jeweils der Vorrang eingeräumt wird, liegt letztlich allein im Ermessen des Board of Governors, das aus Ben Bernanke und seinen sechs Vorstandskollegen besteht.

Der zweifache Vater gilt als Kenner der Großen Depression: 1929 habe die junge Fed die Zügel zu straff angezogen, meint er. Bernanke gilt aber auch als Anhänger Milton Friedmans. Der wirtschaftsliberale Extremist wollte ganze Volkswirtschaften allein über die Geldpolitik regeln. Im Chile nach Salvador Allende scheiterte dies in der Praxis.

Im Februar 2006 berief der damalige US-Präsident George W. Bush seinen Parteifreund an die Spitze der Fed. Als einfacher Fed-Vorstand hatte der frühere Bandmusiker die Niedrigzinspolitik seines Vorgängers Greenspan mitgetragen. Kritiker geben ihm daher Mitschuld an der Banken- und Finanzkrise, die im Sommer 2007 ausbrach und die Welt bis heute in Atem hält.

Anderseits beherzigte Bernanke seine eigenen Lehren aus der Großen Depression: Nachdem er durch Leitzinssenkungen auf den historischen Tiefstand nahe null sein Pulver verschossen hatte, griff er zu neuartiger Munition: Unter ihm kaufte die Fed massenhaft Wertpapiere und Staatsanleihen und flutete die Finanzmärkte mit Billionen Dollar. Auch in linken Fachkreisen wurde der Geldmacher dafür fast einhellig gelobt. Außerdem wurde die Fed unter ihm berechenbarer, erstmals wurde ein Inflationsziel von »langfristig zwei Prozent« festgelegt und zudem versprochen, die Nullzinspolitik erst zu beenden, wenn die Arbeitslosigkeit unter die 6,5-Prozent-Marke fällt.

Mittlerweile machen sich Befürchtungen breit, dass weit geöffnete Geldschleusen neue Spekulationsblasen fluten und der nächste Crash droht. Bernankes Nachfolgerin, die Demokratin Janet Yellen, wird die Schleusen schließen müssen. Bernanke könnte dann in den Geschichtsbüchern wie sein Vorgänger Greenspan nicht mehr als der große Problemlöser stehen, sondern als Teil des Problems.

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