Obamas Experten für Lauschangriffe

Neue Enthüllung im NSA-Skandal: Geheimdienst zapft Computer auch ohne Internet an

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Selbst Computer, die gar nicht online sind, werden von der NSA angegriffen. Von US-Präsident Obama berufene Experten verteidigen derweil die massive Datensammlung, fordern aber Grenzen.

Am Freitag will Barack Obama erklären, wie er sich Geheimdienstarbeit vorstellt. Darf die National Security Agency (NSA) mit ihrer grenzenlosen Spionage weitermachen? Oder bringt der Präsident den Mut auf, die zügellose weltweite Ausspähung zu stoppen, um nicht zuletzt auch die Empörung im Ausland zu dämpfen? »Ich werde dazu eine ganze Menge zu sagen haben«, erklärte er am Dienstag (Ortszeit) kryptisch.

»Im Grunde besitzen wir die technischen Möglichkeiten, einen Überwachungsstaat zu schaffen«, sagte Richard Clarke dieser Tage. Er gehört zu jener von Obama berufenen Expertengruppe für die nach den Snowden-Enthüllungen angekündigte Reform, die jetzt im Justizausschuss des Senats Rede und Antwort stehen musste. Geht man davon aus, dass sie die Richtung vorgibt, selbst wenn Obama nicht an die 46 Einzelempfehlungen gebunden ist, sieht es kaum nach radikalen Korrekturen aus. Der Präsident sprach bisher von »einigen Selbstbeschränkungen«, die er der NSA auferlegen wolle.

So soll nach den Vorschlägen der Fachleute künftig in den USA nicht mehr der Geheimdienst Kommunikationsdaten sammeln, sondern die Telefongesellschaften und Netzbetreiber ihre zur Verfügung stellen, wenn ein Gericht einem entsprechenden Antrag zugestimmt hat. Damit will man flächendeckenden Datenmissbrauch verhindern. Noch darf die NSA sogenannte Metadaten fünf Jahre lang speichern. Allerdings wehrt sich ein Verbund von Branchenriesen wie Verizon Wireless, T-Mobile USA und Sprint schon prophylaktisch gegen das Vorhaben, das laut »New York Times« auch Obama skeptisch sehen soll.

Am Geheimgericht, das NSA-Operationen genehmigt (Foreign Intelligence Surveillance Court), sollen künftig nicht nur Regierungsvertreter gehört werden, sondern auch ein Anwalt im Auftrag von Datenschutz und Bürgerrechten (Public Interest Advocate). Und wenn es um die Ausspähung ausländischer Staats- und Regierungschefs geht, müssten die Entscheidungen »mit großer Sorgfalt getroffen« werden, unter Abwägung diplomatischer und wirtschaftlicher Folgen. Wirtschaftsspionage sollte tabu sein. Informationen über USA-Bürger, die ungeplant bei der Überwachung im Ausland anfallen, dürften nicht mehr vor Gericht verwendet werden.

Der NSA soll zudem untersagt werden, von Unternehmen den Einbau von »Hintertüren« in ihrer Software zu verlangen, weil so auch Online-Kriminellen Tür und Tor geöffnet werden könnte. Wie die »New York Times« am Mittwoch enthüllte, könne die NSA auch Computer anzapfen, die gar nicht online sind. Voraussetzung sei, dass spezielle Funkwanzen von Agenten oder nichts ahnenden Nutzern installiert werden. Diese Sender würden entweder in die Computer eingebaut oder in USB-Sticks oder Steckern versteckt. Die NSA-Software werde auch über Netzwerke installiert. Rund 100 000 Computer habe der Geheimdienst auf diese Weise weltweit schon verwanzt. Diese Technologie diene dazu, gerade auf Rechner solcher Zielpersonen zuzugreifen, die sich einer digitalen Überwachung entziehen wollten.

Bei aller Mahnung zur Balance haben Obamas Experten die international kritisierten massiven Überwachungsprogramme letztlich verteidigt, denn sie seien geeignet, »eine katastrophale Attacke gegen die USA abzuwenden«, so Michael Morell, der frühere Vizechef des Auslandsgeheimdienstes CIA. Die Metadatenspeicherung müsse nur ein Mal zur Abwehr eines Anschlags führen, damit sich der Aufwand gelohnt habe. Bisher hat die massenhafte Telefonüberwachung durch die NSA nach Analyse der New America Foundation nur sehr wenig dazu beigetragen, Terrorattacken zu vereiteln. Die Denkfabrik hat 225 Fälle seit den Anschlägen vom 11. September 2001 untersucht. Das Problem der Anti-Terrorspezialisten sei, dass sie schon »die Informationen, die sie mit herkömmlichen Techniken gewonnen haben, nicht ausreichend verstehen oder weitreichend teilen«, heißt es in der Studie.

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