Obamas Wunsch, Merkels Wink

US-Präsident setzt auf Gerechtigkeit, Kanzlerin lobt ihre soziale Marktwirtschaft

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Eine Regierungserklärung im Bundestag ist keine »State of the Union«-Rede des US-Präsidenten - wenn es dazu noch des Beweises bedurft hätte, Angela Merkel und Barack Obama hätten ihn nun erbracht. Mit welcher Verve der Demokrat unter der Losung der sozialen Gerechtigkeit in den Wahlkampf um die Midterm Elections im November startete. Und mit welch bürokratischer Betulichkeit die CDU-Chefin vergeblich versuchte, der Großen Koalition so etwas wie eine übergreifende Idee zu verleihen. Der Unterschied wäre nicht kleiner ausgefallen, hätte Merkel ihre Worte im Stehen aufsagen können.

Richtig ist freilich auch: Was gut klingt, muss noch lange nicht wahr werden. Obama wird bis zu den Kongresswahlen kaum Handlungsspielraum haben. Die republikanische Mehrheit schnürt den US-Präsidenten ein, das hat sich schon bei den Versuchen gezeigt, eine Einwanderungsreform und schärfere Waffengesetze auf den Weg zu bringen. Notfalls werde er am Kongress vorbeiregieren, sagt er nun: mit Hilfe von Verordnungen. Doch deren Wirkung bleibt begrenzt. Zumal nicht vergessen ist, dass Obama schon manches versprochen hat, etwa, das Gefangenlager Guantanamo zu schließen. Die NSA-Affäre sprach er nur am Rande an.

Als Merkel dann ihre Regierung erklärte, nahm sie den Ball auf - und schalt zaghaft die US-Geheimdienste. Als Leitidee einer Koalition taugt die NSA-Affäre aber kaum. Was viele Schlagzeilen macht, muss nicht die Sorgen der Mehrheit bestimmen. Die sehnt sich nach mehr Gerechtigkeit, und dazu hatte Merkel nichts zu sagen. Stattdessen pries sie »zeitlose« Vorzüge »sozialer Marktwirtschaft«, lobte den »deutschen Motor«, der Europa aus der Krise zieht - und so sich selbst über die Realität hinweg. »Im Zweifel handeln wir für den Menschen«, sagte Merkel. Ein Wink, dass sie ohne Zweifel auch anders könnte? tos Seiten 4, 5 und 7

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -