Grau-Grün

Uwe Sattler über die Angst der Alt-Ökos vor der eigenen Courage

Der Europaparteitag der Grünen in Dresden hatte schon etwas von Berlinale: »Geehrt für ihr Lebenswerk« wurde Rebecca Harms. Die 57-jährige Fraktionschefin im Europaparlament darf zum dritten Mal die Kandidatenliste der Partei für die EU-Wahl anführen. Knapp zwei Drittel der Delegierten gaben Harms den Vorzug vor deren Herausforderin, der 32 Jahre alten Ska Keller vom linken Flügel.

Es ist keineswegs so, dass Harms den Spitzenplatz nicht verdient hätte. Ist doch die Grünen-Europapolitik maßgeblich von ihr mitgeprägt worden. Das Geschmäckle rührt daher, dass Keller die vor dem Parteitag in allen EU-Ländern abgehaltene Internetabstimmung über die Spitzenkandidatur der gesamteuropäischen Grünen deutlich gewonnen hatte. Selbst wenn nur gut 23 000 User diese Chance zur Mitentscheidung nutzten - zu so viel Europa und so viel direkter Demokratie sind Deutschlands Grüne denn doch nicht mehr bereit. Und schalteten für die Bestimmung der deutschen Liste das Votum des Parteitags vor.

Vermutlich auch, weil die grünen Youngster ihren Ziehvätern und -müttern mit ihrem Willen zu Veränderungen in Europa wohl manchmal etwas ungestüm erscheinen. Hätte Keller die nationale Abstimmung gewonnen, wäre ihr der Alt-Grüne Reinhard Bütikofer auf Listenplatz zwei im Rücken gefolgt; der Finanzexperte Sven Giegold, erst seit einer Legislatur im EU-Parlament, darf nun Harms assistieren. Ein bisschen Kontrolle wollen die ergrauten Altvorderen der Grünen über ihren Nachwuchs und deren politische Ideen schon noch behalten.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal