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Anzahlungspraktiken gekippt

Erfolgreiche Klage gegen Fluggesellschaften und Reiseveranstalter

  • Lesedauer: 3 Min.
Mit richtungweisenden Urteilen haben Gerichte überhöhten Anzahlungsforderungen von Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern jetzt einen Riegel vorgeschoben.

Nach Klagen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärten deutsche Gerichte die Klauseln der Fluggesellschaften Condor und TUIfly für unwirksam, wonach der volle Flugpreis bereits bei der Buchung zu zahlen ist.

Auch Reiseveranstalter wie Thomas Cook und Bucher-Reisen, die bei Pauschalreisen zu hohe Anzahlungen verlangen, erlebten vor Gericht eine Pleite: 25 oder 30 Prozent des Reisepreises bereits bei der Buchung zu zahlen, hielten das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie das Landgericht Düsseldorf für unzulässig. Auch die Fälligkeit des Restreisepreises schon 40 Tage vor Reiseantritt benachteilige Pauschalurlauber unangemessen.

Aktenzeichen und Urteile

... sind in der Urteilsdatenbank der Verbraucherzentrale NRW zu finden: www.vz-nrw.de/urteilsdatenbank

LG Hannover vom 21. Januar 2014 (Az. 18 O 148/13)

OLG Frankfurt am Main vom 16. Januar 2014 (Az. 16 U 78/13)

LG Frankfurt am Main vom 28. Januar 2013 (Az. 2-24 O 196/12)

LG Frankfurt am Main vom 8. Januar 2014 (Az. 2-24 O 151/13)

LG Köln vom 8. Januar 2014 (Az. 26 O 253/13)

LG Düsseldorf vom 13. November 2013 (Az. 12 O 417/12)

Überhöhte Anzahlungen von fünf Fluggesellschaften

Wegen überhöhter Anzahlungsforderungen hatte die Verbraucherzentrale NRW im Sommer 2013 gegen fünf Fluggesellschaften - gegen TUIfly beim Landgericht Hannover, gegen Condor beim Landgericht Frankfurt am Main sowie gegen Germania und Air Berlin jeweils beim Landgericht Berlin und gegen die Deutsche Lufthansa beim Landgericht Köln - Klage erhoben. Dass sie sofort bei der Buchung - und damit oft monatelang im Voraus - die Bezahlung des vollen Flugpreises verlangen, sehen die Verbraucherschützer als klaren Verstoß gegen das Prinzip »Ware gegen Geld«.

»Der Fluggast trägt zum einen das Risiko, sein Geld im Fall einer Pleite der Fluggesellschaft nicht zurückzubekommen. Außerdem verliert er das Druckmittel, Geld zurückbehalten zu können, wenn die Airline die vertraglich vereinbarte Leistung wie Flugzeit, Start- oder Zielflughäfen ändern will«, erläutert NRW-Verbraucherzentralenvorstand Klaus Müller den Vorstoß bei Justitia für mehr Verbraucherrechte.

Zahlungen schon Monate voraus sind unangemessen

Zwei Gerichte (Landgericht Frankfurt am Main und Landgericht Hannover) folgten nun der Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale: Klauseln, nach denen bereits bei der Buchung oft schon Monate im Voraus der gesamte Flugpreis zu zahlen ist, benachteiligten den Fluggast unangemessen. Denn Kunden würden hierbei in vollem Umfang das Insolvenzrisiko der Airline übernehmen. Die Aushändigung einer Buchungsbestätigung genüge nicht, die tatsächliche Ausführung der Flugleistungen abzusichern.

Die Verbraucherzentrale NRW will auch bei Flugbuchungen Vorauszahlungsgrenzen am Start sehen: Der Flugpreis sollte frühestens 30 Tage vor Abreise fällig werden. Eine Anzahlungspflicht ist allenfalls dann akzeptabel, wenn auch Fluggesellschaften eine Insolvenzabsicherung vorweisen können, wie sie für Reiseveranstalter bereits vorgeschrieben ist. Deshalb legt sie auch gegen ein Urteil des Landgerichts Köln Berufung ein: In dem Verfahren der Verbraucherzentrale gegen die Praxis der Vorauskasse der Lufthansa hatten die Richter entschieden, dass das Ausstellen des Flugtickets den Anspruch gegen das Luftfahrtunternehmen verbriefe und somit die Vorleistung des Fluggastes gerechtfertigt sei.

Höhenflug der Reisebranche die Flügel gestutzt

Dem Höhenflug der Reisebranche bei Anzahlungsforderungen für Pauschalreisen hatte die Verbraucherzentrale NRW schon in einer Reihe von Verfahren die Flügel gestutzt: Weil führende Veranstalter Vorauszahlungen zwischen 25 und 100 Prozent des Reisepreises bereits bei der Buchung verlangten, hatte sie gegen fünf der Branche (TUI Deutschland GmbH, Bucher Reisen GmbH, TC Touristik GmbH, Urlaubstours GmbH sowie L’TUR Tourismus AG) Klage erhoben und erste Urteile erstritten.

»Mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen die Veranstalter gegen das Zug-um-Zug-Prinzip, wonach Kunden erst zahlen müssen, wenn sie die Leistung erhalten«, fasst Klaus Müller die Argumentation der Verbraucherzentrale NRW zusammen.

Diese Auffassung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigt: 25 oder sogar 30 Prozent des Reisepreises, die Thomas Cook als Anzahlung bei der Buchung verlangte, ist zu viel. Auch die Fälligkeit des Restreisepreises schon 40 Tage vor Antritt der Reise benachteilige die Fluggäste unangemessen. Eine Auffassung, die auch das Landgericht im Verfahren gegen Bucher-Reisen teilte: Eine Anzahlung von 30 Prozent des Reisepreises befanden die Richter als zu hoch. vbz-nrw/nd

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