Merkel telefoniert mit Putin, Erdogan und Xi

Kiew dreht Krim den Geldhahn zu / Klitschko-Partei will Grenze zu Russland schließen / Enreut Attacke auf Kaserne

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Berlin. In der Krim-Krise zeichnet sich weiter keine Annäherung zwischen dem Westen und Russland ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in einem erneuten Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin das für nächsten Sonntag vom Krim-Parlament angesetzte Referendum zur Loslösung von der Ukraine als illegal kritisiert. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag weiter mitteilte, bedauerte die Kanzlerin, dass es keine Fortschritte bei der Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe gebe. Merkel habe hier rasche substanzielle Ergebnisse angemahnt.

Putin nahm in dem Telefonat die selbst ernannte Regierung der Halbinsel Krim in Schutz. Die »legitime« Führung handele in Übereinstimmung mit internationalem Recht und schütze die Interessen der Bewohner auf der Halbinsel, teilte der Kreml in Moskau mit.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Merkel erklärten nach einem Telefonat gemeinsam, die Souveränität, territoriale Integrität und politische Einheit der Ukraine müssten unbedingt geschützt werden. Beide Regierungschefs plädierten in einer Erklärung für »eine zeitnahe Befassung« unter anderem des UN-Sicherheitsrates. Die Türkei sei zudem bereit, an der Arbeit der angestrebten internationalen Kontaktgruppe mitzuwirken.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping sprach sich in einem Telefongespräch mit Merkel nach Angaben der Bundesregierung dafür aus, eine politische Lösung auf dem Weg des Dialogs zu finden. Xi habe betont, dass ein Ausweg aus der Krise auf Grundlage der internationalen Rechtsordnung zu suchen sei.

Kiew dreht Krim den Geldhahn zu

Im Streit um die Krim hat die neue Regierung in Kiew der Führung der Halbinsel den Geldhahn zugedreht. Wegen einer Sperrung der Bankkonten könne das Autonome Gebiet laufende Geschäfte nicht mehr finanzieren, sagte Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew am Sonntag in Simferopol. Die Führung habe sich bereits an Moskau gewandt, um bei russischen Banken Konten zu eröffnen. Die Halbinsel werde sowieso die russische Währung Rubel einführen, sollte die Mehrheit der Krim-Bevölkerung am kommenden Sonntag - wie erwartet - für einen Beitritt zu Russland stimmen, sagte Temirgalijew. Die Partei Udar (Schlag) von Ex-Boxchampion Vitali Klitschko forderte derweil die Schließung der ukrainischen Grenze mit Russland sowie eine Sperrung des Luftraums der Ex-Sowjetrepublik. Die Führung in Kiew müsse verhindern, dass »Provokateure« aus Russland ihre »Aggression« fortsetzen könnten, hieß es in einer Mitteilung. Unterdessen attackierten bewaffnete Männer nach Angaben der Regierung in Kiew erneut ukrainische Militärstellungen auf der Krim. Mindestens 30 Männer in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien in einen Stützpunkt im Westen der Halbinsel eingedrungen und hätten Technik zerstört, teilte das Verteidigungsministerium mit.

Gysi fordert rhetorische Abrüstung

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, hat angesichts der Krim-Krise appelliert, »um wieder einigermaßen zur Vernunft zu kommen, muss auf allen Seiten rhetorisch drastisch abgerüstet und müssen die Dinge wieder gerade gerückt werden. Wenn Putin sein völkerrechtswidriges Engagement auf der Krim damit rechtfertigt, dass die Nato genau das mit der ebenso völkerrechtswidrigen Trennung des Kosovo vorexerziert habe, dann bleibt es in beiden Fällen ein Bruch des Völkerrechts«, so der Linkenpolitiker. Es scheine, »wir lebten zumindest medial wieder im Kalten Krieg mit den alten, neu aufgemotzten Weltbildern«, so Gysi. Aber »die gefährliche Zuspitzung des Konflikts in und um die Ukraine haben neben Russland auch die EU und somit auch Frau Merkel zu verantworten«. Sie hätten »Russland brüskiert und die Ukraine zerrissen«. Außerdem sei der EU vorzuwerfen, »dass sie nicht auf die Vereinbarungen mit dem gestürzten Präsidenten Janukowitsch und den Oppositionsparteien zur Beendigung des Bürgerkriegs bestanden, die die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens aushandelten«. Es müsse »endlich die Einsicht bei allen Beteiligten einkehren, dass es eine Lösung in und um die Krise der Ukraine nur mit und nicht gegen Russland geben kann«, sagte Gysi weiter. »Das geht nur, wenn man endlich wieder miteinander spricht und Vertrauen aufbaut«. Allerdings müsse auch Putin seine Politik ändern.

Verletzte vom Maidan kommen nach Deutschland

Laut einem Bericht der »Bild am Sonntag« soll die Bundeswehr in der nächsten Woche rund 40 bei Protesten verletzte Ukrainer in die Bundesrepublik zur Behandlung ausfliegen. Es handele sich überwiegend um Opfer der Schüsse auf dem Maidan-Platz in Kiew, die in deutschen Kliniken behandelt werden sollen. Unter ihnen befänden sich Demonstranten und auch mehrere Polizisten. Vor einigen Tagen hatte die ukrainische Regierung Deutschland um Hilfe bei der medizinischen Versorgung gebeten. Verteidigungsministerin von der Leyen sagte laut der Zeitung, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Deutschland Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zeige. Die Ärzteteams der Bundeswehr seien bereits in Kiew und bereiteten den Transport vor.

Krim will Beitritt zu Russland noch im März

Eine Woche vor dem Krim-Referendum hat die politische Führung der Halbinsel einen schnellen Beitritt zur Russischen Föderation angekündigt. »Der Übergangsprozess in eine neue Rechtsprechung ist kompliziert. Aber wir gehen davon aus, dass alles noch im März gelingt«, sagte der Vorsitzende des prorussischen Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, am Samstag in Simferopol nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Die EU und die USA haben Russland für den Fall einer Annexion der Krim weitere Sanktionen angedroht.

Bei dem Referendum am 16. März sollen die Bewohner der Halbinsel entscheiden, ob die Krim sich der Russischen Föderation anschließt. Eine Mehrheit dafür gilt als sicher. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für einen Bruch internationalen Rechts hält. Der Kreml hat bereits angekündigt, die Schwarzmeer-Halbinsel eingliedern zu wollen. Konstantinow versprach den Staatsbediensteten auf der Krim, dass sich deren Einkommen in Zukunft im Schnitt vervierfachen werden.

Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie den politischen Führern Großbritanniens, Frankreichs und Italiens sowie mit den Präsidenten der drei baltischen Staaten telefoniert. Nach Angaben des Weißen Hauses forderten alle Gesprächspartner übereinstimmend, dass Russland die Soldaten auf der Krim zurück in ihre Kasernen schicken solle. Moskau müsse den Zugang internationaler Beobachter in der Krisenregion erlauben und der Bildung einer Kontaktgruppe rasch zustimmen. Diese solle zu direktem Dialog zwischen der Ukraine und Russland führen, um die Krise zu deeskalieren und die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen. Alle Gesprächspartner hätten das geplante Referendum auf der Krim als eine Verletzung der ukrainischen Verfassung zurückgewiesen.

Derweil hat sich der Präsident des Europäischen Parlaments, der Sozialdemokrat Martin, Schulz, für eine Bestandsgarantie für den russischen Flottenstützpunkt auf der Krim ausgesprochen. Dies könne zu einer Lösung mit diplomatischen Mitteln beitragen, sagte er der »Bild am Sonntag«. Schulz betonte aber zugleich, dass die Europäische Union eine Teilung der Ukraine nicht hinnehmen werde. Auch der SPD-Politiker nannte die Vorgänge auf der Halbinsel einen Bruch des Völkerrechts.

Die Bundesregierung will laut einem Medienbericht in den kommenden Tagen einen weiteren Versuch starten, um Russland - wie es heißt - »durch erhöhten Druck in der Ukraine-Krise zum Einlenken zu bewegen«. Berlin plane, »eine möglichst breit angelegte internationale Koalition zu mobilisieren«, die sich gegen eine Eskalation der Lage stemme. Das berichtet die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« unter Bezug auf das Auswärtige Amt. Die Koalition solle die Europäische Union, die OSZE und den Europarat umfassen. Es gehe um die Vorbereitung von »klugen Gegenmaßnahmen, die Russland zeigen sollen, was auf dem Spiel steht«. Die USA und die EU hatten in dieser Woche erste Sanktionen gegen Russland beschlossen. Sollte Moskau im diplomatischen Konflikt um die Krim nicht einlenken, will die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen. Im Extremfall will Brüssel auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen hingegen zu einem »Dialog ohne Beschuldigungen« auf: »Wir sind zu partnerschaftlichen Gesprächen bereit - allerdings akzeptieren wir keine Versuche, uns als einen Beteiligten des Konflikts in der Ukraine hinzustellen«, sagte er laut der Agentur Interfax. Agenturen/nd

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