Henker gesucht

In Sri Lanka will niemand Scharfrichter werden - auch wenn es in dem Land nur ein Schreibtischjob ist

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 2 Min.
Schon drei Kandidaten für die ausgeschriebene Stelle haben kalte Füße bekommen. Jetzt sucht Sri Lanka wieder einen Henker.

Sri Lanka hat derzeit eine der ungewöhnlichsten Stellenausschreibungen auf dem Planeten: Gesucht wird ein neuer Henker. Der Job ist abermals frei, nachdem inzwischen die dritte Neubesetzung kalte Füße bekommen hat. Einen einwöchigen Einführungskurs hatte der Mann erhalten. Als er erstmals direkt vor dem Galgen gestanden hatte, informierte er seinen Vorgesetzten, dass er den Arbeitsplatz nicht antreten könne, sagte Gefängnisgeneraldirektor Chandrarathna Pallegama vor Reportern. Seine Verwaltung muss sich nun abermals um Ersatz bemühen.

Der Mann, der jetzt im vorletzten Moment schwache Nerven bekommen hatte, war bereits Nummer drei unter 176 Bewerbern, die sich auf die ursprüngliche Ausschreibung gemeldet hatten. Seinen zwei Vorgängern ging es ähnlich, sie waren kurz nach ihrer Auswahl im vergangenen Jahr nicht zum Job erschienen. Beim nächsten Kandidaten, kündigte Pallegama an, werde man das Verfahren ändern und ihm zuerst den Galgen zeigen, bevor der Trainingskurs starte, um einen weiteren Fall dieser Art zu verhindern.

Die Todesstrafe ist in dem südasiatischen Land weiterhin in Kraft, auch wenn sie nun schon dreieinhalb Jahrzehnte nicht vollstreckt wurde. Die letzte Hinrichtung datiert von 1976. Aber mindestens 405 Personen sitzen mit Todesurteil in den Gefängnissen, bei weiteren steht noch das Berufungsverfahren aus. Der ursprüngliche Henker war zu einem Wachmann befördert worden, deshalb wurde eine Neubesetzung erst notwendig. Offenbar aber mit nicht ausreichender Beschreibung: Zwar war es bisher real nur Schreibtischarbeit, doch die pure Aussicht, in Zukunft doch einen Verurteilten töten zu müssen, versetzte die Bewerber dann doch in Schock.

Dass so lange keine Hinrichtung angeordnet wurde, lag vor allem an den Präsidenten: Keiner wollte die Anträge dazu unterschreiben. Der derzeitige Staatschef Mahinda Rajapakse, der mit harter Hand regiert, könnte diese Zurückhaltung aber irgendwann aufgeben - er hat in der Vergangenheit auch mehrfach bei der Debatte um Menschenrechtsverletzungen erklärt, internationale Kritik nicht zu wichtig zu nehmen. In Indien hat übrigens eine Regionalpartei in südlichen Tamil Nadu, dessen Bevölkerung ethnisch-kulturell eng mit der tamilischen Minderheit in Sri Lanka verwandt ist, die Abschaffung der indischen Todesstrafe explizit in ihr Wahlprogramm aufgenommen.

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