Henker gesucht
In Sri Lanka will niemand Scharfrichter werden - auch wenn es in dem Land nur ein Schreibtischjob ist
Sri Lanka hat derzeit eine der ungewöhnlichsten Stellenausschreibungen auf dem Planeten: Gesucht wird ein neuer Henker. Der Job ist abermals frei, nachdem inzwischen die dritte Neubesetzung kalte Füße bekommen hat. Einen einwöchigen Einführungskurs hatte der Mann erhalten. Als er erstmals direkt vor dem Galgen gestanden hatte, informierte er seinen Vorgesetzten, dass er den Arbeitsplatz nicht antreten könne, sagte Gefängnisgeneraldirektor Chandrarathna Pallegama vor Reportern. Seine Verwaltung muss sich nun abermals um Ersatz bemühen.
Der Mann, der jetzt im vorletzten Moment schwache Nerven bekommen hatte, war bereits Nummer drei unter 176 Bewerbern, die sich auf die ursprüngliche Ausschreibung gemeldet hatten. Seinen zwei Vorgängern ging es ähnlich, sie waren kurz nach ihrer Auswahl im vergangenen Jahr nicht zum Job erschienen. Beim nächsten Kandidaten, kündigte Pallegama an, werde man das Verfahren ändern und ihm zuerst den Galgen zeigen, bevor der Trainingskurs starte, um einen weiteren Fall dieser Art zu verhindern.
Die Todesstrafe ist in dem südasiatischen Land weiterhin in Kraft, auch wenn sie nun schon dreieinhalb Jahrzehnte nicht vollstreckt wurde. Die letzte Hinrichtung datiert von 1976. Aber mindestens 405 Personen sitzen mit Todesurteil in den Gefängnissen, bei weiteren steht noch das Berufungsverfahren aus. Der ursprüngliche Henker war zu einem Wachmann befördert worden, deshalb wurde eine Neubesetzung erst notwendig. Offenbar aber mit nicht ausreichender Beschreibung: Zwar war es bisher real nur Schreibtischarbeit, doch die pure Aussicht, in Zukunft doch einen Verurteilten töten zu müssen, versetzte die Bewerber dann doch in Schock.
Dass so lange keine Hinrichtung angeordnet wurde, lag vor allem an den Präsidenten: Keiner wollte die Anträge dazu unterschreiben. Der derzeitige Staatschef Mahinda Rajapakse, der mit harter Hand regiert, könnte diese Zurückhaltung aber irgendwann aufgeben - er hat in der Vergangenheit auch mehrfach bei der Debatte um Menschenrechtsverletzungen erklärt, internationale Kritik nicht zu wichtig zu nehmen. In Indien hat übrigens eine Regionalpartei in südlichen Tamil Nadu, dessen Bevölkerung ethnisch-kulturell eng mit der tamilischen Minderheit in Sri Lanka verwandt ist, die Abschaffung der indischen Todesstrafe explizit in ihr Wahlprogramm aufgenommen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.