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Von der Frühschicht in den Streik

Pflegekräfte des Klinikkonzerns Vivantes fordern bessere Arbeitsbedingungen

Am Montagmorgen begann ein ganztägiger Warnstreik in sechs Berliner Vivantes-Kliniken. Vor allem Pflegekräfte legten die Arbeit für mehr Personal auf den Stationen und bessere Bezahlung nieder.

Der angekündigte Warnstreik beim Berliner Klinikkonzern Vivantes hat sich am Montag auf sechs Standorte des städtischen Krankenhauses ausgeweitet. Zwischen sechs Uhr morgens und 16 Uhr am Nachmittag versammelten sich laut der Dienstleitungsgewerkschaft ver.di insgesamt 300 Pflegekräfte vor dem Vivantes Klinikum Neukölln, dem Auguste-Viktoria-Klinikum in Schöneberg, dem Humboldt-Klinikum in Reinickendorf sowie den Krankenhäusern in Spandau und Friedrichshain und Am Urban in Kreuzberg.

Vor dem Wochenende hatte die Gewerkschaft lediglich Streiks in Neukölln, Spandau und Schöneberg angekündigt. Der Ausstand betraf neben den Operationssälen und der Anästhesie auch die Pflegestationen der Kliniken. Die Angestellten fordern neben einem besseren Personalschlüssel 3,5 Prozent mehr Lohn sowie einen Sockelbetrag von 100 Euro mehr für jeden Mitarbeiter. Außerdem sollen Auszubildende besser bezahlt und unbefristet übernommen werden. Der Streik findet im Zusammenhang mit den bundesweiten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst statt.

Ver.di bekräftigte, dass es wegen des Streiks keine Einschränkungen bei der Notfallversorgung gab, dafür habe man extra Notdienstvereinbarungen mit den Kliniken abgeschlossen. Die Rettungsstellen aller Krankenhäuser seien ebenfalls voll besetzt. Nicht dringende Operationstermine waren vorab telefonisch verlegt worden. Insgesamt seien rund 160 Patienten davon betroffen.

Angelika Kopp arbeitet seit 1994 als Krankenschwester. Sie ist Fachschwester für Anästhesie und kommt direkt aus der Frühschicht auf der kardiologischen Intensivstation des Klinikums in Neukölln zum Streik vor dem Krankenhaus, wo schon rund 100 ihrer Kollegen stehen. Viele hätten sich aus Angst vor Vorwürfen, sie würden ihre Patienten im Stich lassen nicht beteiligt. Angelika Kopp sieht das anders. Das Wohl ihrer Patienten habe eben mit besseren Arbeitsbedingungen zu tun, sagt sie. »Die Verantwortung, die wir gegenüber Menschen haben, sollte anständig gewürdigt werden.« Viele Kollegen seien überlastet, arbeiten in Teilzeit und noch an anderen Kliniken, um über die Runden zu kommen. Als Nachtdienst wären diese »Externen« mit den Abläufen auf ihrer Station wenig vertraut. Einige kämen von der Vivantes personal GmbH, einer Tochtergesellschaft und Zeitarbeitsfirma des Konzerns. Immer öfter müssen die Krankenpfleger außerdem zusätzliche Aufgaben übernehmen und Patienten beispielsweise von einer Station auf die andere bringen. Hinzu kommt die häufige Überbelegung. Es kam schon vor, dass Patienten, samt aller Gerätschaften, auf den Fluren übernachten mussten, erzählt Kopp.

Unter den Streikenden vor dem Vivantes Klinikum in Neukölln sind auch viele Auszubildende. Einige hätten drei Wochen nach dem Ende ihrer Ausbildung den Job wieder aufgegeben, nachdem sie bemerkten, dass sie der Belastung nicht standhalten, erzählt Volker Gernhardt, Betriebsrat bei Vivantes.

Der kommunale Arbeitgeberverband »KAV Berlin« bezeichnete den Streik als »völlig überzogen«. Die Forderungen der Gewerkschaft seien bei der wirtschaftlichen Lage vieler Kliniken schlicht unrealistisch, sagt Claudia Pfeiffer, Geschäftsführerin der KAV. Wolfgang Albers, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hingegen sprach von »berechtigten Forderungen«. Er kritisiert insbesondere das »systematische Personalkostendumping« der Kliniken untereinander und will dazu eine Anhörung im Gesundheitsausschuss anregen.

Sollte es bei der nächsten Tarifverhandlung am Donnerstag und Freitag in Potsdam zu keinem annehmbaren Ergebnis kommen, seien weitere Streiks nicht ausgeschlossen, so Janine Balder, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di. Die Gewerkschaft hat außerdem für den heutigen Dienstag Streiks beim Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin angekündigt.

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