Drei gehen, vier bleiben

Im Streit um die inhaltliche Ausrichtung der Piratenpartei ist ein Teil des Bundesvorstands zurückgetreten

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Piratenpartei soll sich endlich wieder auf Inhalte statt auf interne Zwistigkeiten besinnen, fordern drei zurückgetretene Vorstandsmitglieder.

»Jeder tritt auch mal versehentlich daneben.« Dieses Motto - zugegeben etwas verkürzt wiedergegeben - hat Veronique Schmitz über ihr Twitter-Profil geschrieben. Schmitz ist eine von vier verbliebenen Vorstandsmitgliedern der Piratenpartei. Ergänzen könnte man hier: »oder auch mal ab«. Drei der sieben Vorstandsmitglieder haben am Sonntagabend ihren Rücktritt bekanntgegeben. Ob das ihrem in einer Erklärung formulierten Ziel entgegenkommt, dass die Partei »wieder mit unseren politischen Inhalten und nicht wegen unserer internen Zwistigkeiten wahrgenommen« wird, mag zumindest auf kurze Sicht bezweifelt werden: In Medienberichten liest man wieder von Krise, Zerreißprobe, Querelen.

Der Wunsch ist sicherlich langfristig angelegt: Stephanie Schmiedke, Stefan Bartels und Björn Semrau sind der Erklärung zufolge wegen des Kurses, den Teile der Partei derzeit einschlügen, zurückgetreten. Die Folgen dieser Politik wolle man nicht mehr mittragen und stattdessen der Partei die Gelegenheit geben, sich »endlich von ihrem politischen Schlingerkurs zu befreien«. Strukturen zum Interessenausgleich und das Ausbremsen von Seilschaften seien lange überfällig. »Wir wollen nicht, dass die Piraten zu einer Partei werden, die wie andere auch Wasser predigt und Wein trinkt.« Doch auch der Austausch des Vorstands beim Bundesparteitag im Herbst 2013 hatte schon nicht dazu geführt, dass interne Probleme aufgearbeitet wurden, wie dies der damals gewählte neue Vorsitzende Thorsten Wirth angekündigt hatte.

Dass der »schwelende Konflikt«, wie ihn Sprecherin Anita Möllering nennt, jetzt überhaupt neu entfacht wurde, liegt an Anne Helm. Die Piratin hatte sich - vermummt, aber identifizierbar - am 13. Februar in Dresden mit nacktem Oberkörper gezeigt, auf den sie »Thanks Bomber Harris« geschrieben und damit auch außerhalb der Partei einen Sturm der Empörung ausgelöst hatte. Als Oberbefehlshaber der britischen Luftwaffe hatte Arthur Harris vor 69 Jahren das Flächenbombardement deutscher Städte organisiert.

Später sagte Helm gegenüber »nd«, sie gäbe viel dafür, könnte sie ihre Aktion rückgängig machen. Parteiintern hatten nach der Aktion die Systemadministratoren die Internetseite der Piraten lahmgelegt, um vom Vorstand »gute Politik« einzufordern. Sprecherin Möllering hatte daraufhin gegenüber »nd« von einer »Grundsatzdebatte« gesprochen, die längst fällig gewesen sei und nun endlich geführt werden müsse.

Damit ist die Partei in den vergangenen vier Wochen offensichtlich nicht weitergekommen. Ein außerordentlicher Parteitag, wie von einigen Mitgliedern gefordert, wurde bisher nicht einberufen. Das geben die drei Vorstandsmitglieder als Anlass an, ihre Posten aufzugeben: »Da unser Versuch, bezüglich der Ausrichtung eines vorzeitigen ordentlichen Bundesparteitags zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen, endgültig gescheitert ist, sehen wir nun leider keine andere Möglichkeit mehr, als diesen Vorstand zu verlassen.« Sollte die Partei ihren Richtungsstreit lösen, müsste sie Helm danken. »Die Bomber-Harris-Aktion war nicht die Initialzündung«, sagte am Montag Möllering dem »nd«, aber »der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte«.

Der verbleibende Bundesvorstand führt die Geschäfte zunächst kommissarisch weiter, bis auf einem außerordentlichen Parteitag die Posten neu vergeben werden. Das weitere Vorgehen wollte der Vorstand auf einer Sitzung am späten Montag besprechen.

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