Energiewende: Beschleunigung statt Ausbremsen

Zehntausende zu Protestaktionen am Wochenende erwartet / Demonstrationen in sieben Landeshauptstädten gegen drohende Abwicklung der Energiewende

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Atomkraft abschalten«, »Die Energiewende retten«, »Kein Fracking!« - mit unterschiedlichsten Forderungen wollen Umweltschützer am Samstag auf die Straße gehen. In Düsseldorf, Hannover, Kiel, Potsdam, München, Mainz und Wiesbaden sind Demonstrationen angekündigt. Die Veranstalter - ein breites Bündnis aus Anti-Akw-Initiativen, Naturschutzverbänden und der Erneuerbare-Energien-Branche - rechnen mit mehreren zehntausend Teilnehmern.

»Anstatt sie auszubremsen, muss die Energiewende schneller als bisher fortgeführt werden«, sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Pläne der Bundesregierung zur Deckelung der Windkraft an Land und der Photovoltaik durchkommen.«

Die Bundesregierung - allen voran Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) - bediene mit ihren Plänen zur Reform des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) vor allem die Interessen der großen Stromkonzerne und boote die kleineren privaten Investoren aus, meint Christoph Bautz vom Kampagnen-Netzwerk Campact. Die Erfahrung zeige, dass Unternehmen, die ihr Geld primär mit Atom- und Kohlekraftwerken verdienten, nichts an einer wirklichen Energiewende liege. Deshalb müsse eine zukunftsfähige, demokratisch kontrollierte und bürgernahe Energieversorgung gegen die Pläne der schwarz-roten Koalition durchgesetzt werden.

Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation »ausgestrahlt« will »weg von der dreckigen Kohle und der hochriskanten Atomkraft«. »Wir haben ein Recht auf eine zukunftsfähige, dezentrale Energieversorgung, die weder unsere Heimat mit einem Super-GAU bedroht noch unser Klima zerstört«, sagt er. »Dieses Recht lassen wir uns nicht von Konzernen und ihren Handlangern im Regierungssessel nehmen.«

Massive Kritik an Gabriels EEG-Reformplänen üben auch die Ökostromanbieter. Die Pläne erschwerten es gerade Bürgerenergiegenossenschaften und Stadtwerken, neue Öko-Kraftwerke zu bauen, so der Vorstand des Unternehmers Naturstrom, Oliver Hummel. Insbesondere werde es kaum noch möglich sein, eigene Kunden oder Genossenschaftsmitglieder mit Strom aus heimischen Ökostrom-Anlagen zu versorgen. Gabriel beabsichtigt bekanntlich, dass zukünftig alle Betreiber von Ökostrom-Anlagen ihren Strom selbst oder über Dienstleister an der Börse verkaufen müssen. Dort werden die Erneuerbaren aber zusammen mit Kohle- und Atomstrom als Graustrom unbekannter Herkunft vermarktet. Eine EEG-Reform müsse stattdessen eine direkte und wirtschaftliche Kundenversorgung mit Ökostrom aus heimischen Anlagen ermöglichen, so Hummel.

Den vor längerer Zeit festgesetzten Termin für die sieben Demos halten die Organisatoren für »goldrichtig gewählt«: Zehn Tage später wollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Gabriel und die Ministerpräsidenten zusammensetzen, um sich über die künftige Energiepolitik zu verständigen. Schon eine Woche darauf will das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des EEG beschließen.

Dass die Regierung bereit ist, die Energiewende auf dem Altar wirtschaftlicher Interessen zu opfern, machte Gabriel am Donnerstag wieder deutlich. Er wies die Kompromiss-Vorschläge der EU-Kommission im Streit um die EEG-Umlage mit der Begründung zurück, die vorgeschlagene Belastung der Industrie sei zu hoch. In Deutschland sind mehr als 2000 Unternehmen weitgehend von der Umlage zur Förderung von Ökostrom befeiert. Was sie sparen, müssen die anderen Stromkunden bezahlen. Die EU-Kommission sieht dies kritisch und hat ein Wettbewerbsverfahren gegen Deutschland gestartet.

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