Steinmeier macht »Russlandverstehern« Mut

Deutsch-Russisches Forum sieht sich in »brisanter Situation« als Brückenbauer gefordert

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer »Russlandversteher« von Russlandkritikern unterscheidet, wird das Deutsch-Russische Forum naturgemäß der ersten Gruppe zuordnen. Gerade das aber macht es dem Verein derzeit nicht leicht.

Ernst-Jörg von Studnitz, Botschafter a.D., stand dem von der Wirtschaft geförderten Deutsch-Russischen Forum elf Jahre lang vor. Ausgerechnet im vergangenen Jahr - der elitäre Verein feierte sein 20-jähriges Bestehen - hatte er sich Kritik und persönliche Angriffe aus den Reihen der CDU zugezogen, als er sich gegen einen Konfrontationskurs gegenüber Russland wandte. »Weniger anklagen, mehr verhandeln«, forderte der Forumsvorstand damals.

Die diesjährige Mitgliederversammlung wählte von Studnitz unter großem Beifall Mittwochabend zum Ehrenvorsitzenden. Seine Nachfolge als Vorsitzender übernahm Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck. »In wahrhaft schwieriger Zeit«, wie ihm Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bescheinigte. Der »weltweit geachtete Mann« (Platzeck über seinen sozialdemokratischen Parteifreund Steinmeier) war nämlich um eine Festansprache gebeten worden und nahm sich trotz des »drängenden Geschäfts« die Zeit dafür. Dass seine Worte den Anforderungen einer Festrede entsprechen würden, wollte er allerdings nicht versprechen. Wahrscheinlich hatten die 400 Gäste des Abends im Berliner Hotel Adlon ohnehin mehr Interesse an einem Vortrag zur aktuellen Krise im Verhältnis Russland-Ukraine-»Europa«.

Für Steinmeier handelt es sich um die »schwerste Krise seit dem Ende des Kalten Krieges«. Zwar räumte er ein (was hinterher stets wohlfeil ist), »dass auf beiden Seiten nicht immer alles richtig gemacht worden« sei. Was denn auf westlicher Seite »nicht richtig« war, verschwieg er allerdings. Das, was er nicht erwähnte, könne jedenfalls »für nichts eine Rechtfertigung« sein. Russland habe durch eine völkerrechtswidrige Grenzkorrektur die Büchse der Pandora geöffnet. Genau dieser Vorwurf trifft den Westen bekanntlich aus Richtung Moskau unter Hinweis auf die Zerstückelung Jugoslawiens.

Nun dürfe nichts unterlassen werden, was den Ausbruch eines größeren Konflikts verhindern könnte, bekräftigte Steinmeier. Man lasse sich nicht von Emotionen und medialen Erwartungen treiben. Doch müsse Russland ein sichtbares Zeichen setzen, dass wenigstens keine weitere Zuspitzung droht, dass es »jenseits der Krim keine weiteren territorialen Interessen verfolgt«. Wladimir Putins Rede in Kreml am Dienstag fehle es in dieser Beziehung an Eindeutigkeit. Werde das »Krim-Modell« ausgeweitet, müsse man zu »einschneidenden Maßnahmen« auch bei eigenen wirtschaftlichen Nachteilen greifen.

Binnen 24 Stunden (die inzwischen verstrichen sind) müsse eine OSZE-Beobachtermission in Marsch gesetzt werden, forderte der Bundesaußenminister. Dem Vernehmen nach stellt Russland die Bedingung, dass eine solche Mission nicht nur die Ost-, sondern auch die Westukraine beobachtet. Ein Zeichen der Deeskalation - so Steinmeier weiter - wäre auch Russlands Mitwirkung an der wirtschaftlichen Stabilisierung der Ukraine.

Immerhin hatte der Außenamtschef auch einen Forderungskatalog für Kiew: Dort müsse eine Politik für alle Landesteile betrieben werden, also auch für den russischsprachigen Osten und Süden. (Putin dazu am Dienstag: Unterpfand für Stabilität und territoriale Integrität der Ukraine ist es, dass die Interessen auch der Russen garantiert werden.) Steinmeier forderte außerdem die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und die Aufklärung der Verbrechen vom Maidan. Überdies müsse sich die neue Führung von extremistischen Gruppierungen distanzieren - die ihr selbst angehören, wie zu ergänzen wäre.

Er fürchte, dass auch die kommenden Jahre im deutsch-russischen Verhältnis schwierig werden, hatte der Außenminister zu Beginn seiner Rede gesagt. Gerade deshalb brauche man jedoch Brückenbauer. »Wir brauchen Sie mehr denn je«, machte er dem Deutsch-Russischen Forum und seinem Freund Matthias Platzeck zum Abschluss Mut.

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