Ein Hingucker: Salongalerie »Die Möwe«

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Hingucker: Salongalerie »Die Möwe«

Weiß ist die Möwe, ganz und gar weiß, und trägt somit alle Farben in sich. Voller ruhiger Selbstgewissheit, dass ihre wundervolle Schönheit nicht vergeht, steht sie da. Sie ist einzigartig, etwas Besonderes - wie auch der Ort, an dem sie dauerhaft Platz genommen hat: in der Salongalerie »Die Möwe«, an deren Entree. Die aus edlem Carrar-Marmor 2013 von der Bildhauerin Susanne Paucker geschaffene Skulptur (Foto oben rechts) ist also die Verkörperung des Signets der Galerie, das vom Grafischen her ein wenig, und inhaltlich durchaus nicht absichtslos, an den gleichnamigen legendären Club des Kulturbundes zu Zeiten der DDR in der Luisenstraße erinnert. Damals trafen sich hier oftmals Ost und West, Enklave geistig-kulturellen Austauschs, und die Galerie hat an der einstigen Weltenscheide in Berlin: an der Mauer, ihr geografisches Umfeld. Die Marmor-Möwe blickt sowohl in die Galerie als auch auf Mauerbrunnen und Invalidenpark gegenüber.

Mit historisch vorangegangenem Bezugspunkt wartet auch das Angebotsprogramm der dieser Tage eröffneten Verkaufsgalerie auf. Maler, Grafiker, Bildhauer der Klassischen Moderne werden präsentiert, deren Schaffen nach den Zäsuren von Naziherrschaft und Teilung Deutschlands weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Die »Leistung und Bedeutung dieser Künstler der so genannten ›verschollenen Generation‹ zu vermitteln«, beschreiben die Galeristinnen Claudia Wall und Sabine Jastram-Porsche ihr Anliegen. Und damit stellt diese Neugründung in der scheinbar übervollen Berliner Galerienlandschaft etwas Einzigartiges dar. Mit ihrer Besonderheit macht die Eröffnungsausstellung bekannt, und wenn man sagen würde, die Schau gibt einen substanziellen Überblick über das, was hier zusammengetragen und im Weiteren angeboten wird, wäre das untertrieben. Nur mit schönsten und lautesten Worten der Begeisterung ist zu beschreiben, auf welch Qualitäten der Blick des Besuchers fällt, ob im Gesamtauftritt mit Arbeiten von 40 Künstlern, ob beim Einzelwerk.

Da wäre zum Beispiel das Aquarell »Vier Tauben«, von Margarethe Moll um 1950 geschaffen (Foto oben links). Der Name der deutschen Bildhauerin und Malerin, zu deren Lehrern Lovis Corinth und Fernand Léger gehörten und die in den 1920er/ 30er Jahren erfolgreich war und selbst an Akademien lehrte, war so gut wie vergessen. Sie und ihr Mann, der Maler Oskar Moll, von den Nationalsozialisten diffamiert, das Haus in Berlin und das künstlerische Werk beider im Krieg zerstört. Erst als 2010 bei den archäologischen Ausgrabungen für die künftige U-Bahn-Station Rotes Rathaus Skulpturen gefunden wurden, die durch die Nazi-Beschlagnahme-Aktion »Entartete Kunst« aus Museen entfernt worden waren, darunter auch Marg Molls »Tänzerin« (um 1930), wurde die Künstlerin wiederentdeckt.

Salongalerie »Die Möwe«, Invalidenstraße 90, 10115 Berlin, Eröffnungsausstellung bis 30. 5., Mi-Sa 12-18 Uhr

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