Fossilienklau für die Wissenschaft?

Brasilien: Hartes Durchgreifen gegen illegalen Verkauf an Sammler und ausländische Museen. Von Norbert Suchanek

  • Norbert Suchanek
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Chapada do Araripe im Süden des brasilianischen Bundesstaates Ceará ist eine der reichsten Fossilien-Lagerstätten der Welt: Das Gegenstück zur Grube Messel in Hessen, allerdings mit anderen Dimensionen. Brasiliens »Fossilienfundgrube« auch bekannt als Santana-Formation hat eine Ausdehnung von zwölf Millionen Hektar und ist schwer zu kontrollieren. Aus Ceará illegal geschmuggelte Dino- und Flugsaurier oder versteinerte Ur-Pflanzen finden sich vor allem in deutschen Museen.

Obwohl in Brasilien seit 1942 verboten, blüht seit Jahren der illegale Handel und länderübergreifende Fossilienschmuggel. Unterfinanzierung, fehlendes Fachpersonal und Kompetenzmangel der Kontrollbehörde DNPM (Departamento Nacional de Produção Mineral), Korruption, gepaart mit einem hohen Armutsanteil in der Bevölkerung tun ihr übriges. Monatlich würden Fossilien tonnenweise außer Landes geschafft, so der Präsident von Brasiliens Paläontologischer Gesellschaft (SBP) Max Langer. Gerade die mehrere Millionen Jahre alten Überreste von Sauriern und Reptilien der Chapada do Araripe sind bei Sammlern und Museen weltweit hoch begehrt. Selbst das japanische Nationalmuseum in Tokio hat einen Flugsaurier aus Ceará und zahlte dafür in den 1990er Jahren auf dem »Schwarzmarkt« eine fünfstellige Summe. Vor allem aber deutsche Museen haben seltene, in der Regel illegal geschmuggelte Fossilien aus Ceará in den Vitrinen.

Diesem Ausverkauf des Naturerbes will die brasilianische Justiz offensichtlich ein Ende setzen und den Dinosaurier-Dieben das Handwerk legen. 13 mutmaßlichen Fossilienschmugglern drohen in Brasilien nun Gefängnisstrafen von bis zu zwanzig Jahren, so ein Bericht des Wissenschaftsmagazins »Nature«. Sie wurden beim mutmaßlichen Schmuggel seltener Fundstücke an Privatsammler und Museen in Deutschland und England ertappt. Laut »Nature« stamme einer der angeklagten Fossilienräuber aus Deutschland, der für Museen in den USA, Europa und China arbeite. Bereits vergangenen Oktober nahm die Staatspolizei in Sao Paulo während ihrer verdeckten Ermittlung namens »Operation München« fünf mutmaßliche Schmuggler fest, einer mit deutschem Pass. Zwei weitere Deutsche entwischten den Ermittlern.

Tatsächlich stehen deutsche Museen und Sammler von Hamburg bis München schon seit Langem im Verdacht, Hauptabnehmer versteinerter Pflanzen, Fische, Reptilien und Saurier aus Araripe zu sein. So verfing sich 2002 der Deutsche Michael Lothar Schwickert, einer der mutmaßlich größten Fossilienräuber der 1990er Jahre, in den Netzen der brasilianischen Staatspolizei. Laut seinen Aufzeichnungen schmuggelte er Fossilien unter anderem auch an das Berliner Museum für Naturkunde.

Auch der im Februar vergangenen Jahres von der französischen Firma Geofossiles ungeniert per Ebay für 262 000 US-Dollar angebotene Flugsaurier Pterosaurus aus Araripe hatte Deutschland als Zwischenstation. Laut David Guery, Chef von Geofossils, wurde der Saurier vor etwa 30 Jahren in Deutschland erworben.

Der Fossilienraub macht sich nicht nur in der brasilianischen Regierungskasse bemerkbar. Die brasilianische Forschung selbst ist betroffen. »Unseren Schätzungen nach finden sich etwa 20 000 versteinerte Insekten aus Araripe in ausländischen Museen, während Museen und Universitäten in Brasilien lediglich über gerade mal 4000 Exemplare verfügen«, beklagt der brasilianische Geologe Alexandre Magno Feitosa. Und laut Marcos Sales, Paläontologe von der Universität von Rio Grande do Sul, befinden sich 14 der 24 weltweit wichtigsten Fossilien der Chapada do Araripe in der Hand von ausländischen Instituten. Wissenschaftler weltweit und vor allem in England und Deutschland wie der britische Pterosaurier-Experte David Martill verdienen sich Lorbeeren mit Beschreibungen brasilianischer Fossilien, während Wissenschaftler in Brasilien meist mit sprichwörtlich leeren Händen dastehen. Auch Max Langer von Brasiliens Paläontologischer Gesellschaft ist der Meinung, dass die Fossilien im Land bleiben sollten, um die brasilianische Forschung voranzubringen.

Dies sieht David Martill von der Universität von Portsmouth, der sich vor allem mit brasilianischen Fossilien einen Namen gemacht hat, freilich anders. Brasiliens Gesetze behinderten die Forschung, kritisiert er. Internationale Wissenschaftler, die in Brasilien lediglich Forschung betreiben wollten, seien frustriert. Paläontologie brauche den freien Markt, denn ohne ihn gäbe es nur wenige Ausgrabungen.

Die deutschen Forscher Johann Baptiste von Spix und Carl Friedrich Phillipp von Martius würden Martill wahrscheinlich zustimmen. Sie waren die ersten Wissenschaftler oder »Fossilienschmuggler«, die Anfang des 19. Jahrhunderts Fundstücke aus der Chapada do Araripe nach Europa brachten.

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