Enttäuschung über Doppelpass-Gesetz

Der Kompromiss von Union und SPD zur Optionspflicht stößt auf Kritik

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Türkische Gemeinde, LINKE, Grüne und SPD-Landespolitiker lehnen den Gesetzentwurf zum Doppelpass ab. Sie plädieren für eine Abschaffung des Optionszwanges.

Auf die Einigung zwischen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) zur doppelten Staatsbürgerschaft reagierte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, unzufrieden. »Es bleibt bei einem hohen bürokratischen Aufwand. Immerhin müssen die Behörden jeden Einzelfall überprüfen«, monierte er.

Die Optionspflicht, nach der sich in Deutschland geborene Kinder von Nicht-EU-Ausländern bis spätestens zum 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen, bleibt zwar im Grundsatz bestehen. Aber es werden wohl mehr junge Menschen beide Pässe behalten dürfen, als es die bisherigen Pläne des Innenministeriums vorgesehen hatten. Nach einem ersten Entwurf von de Maizière sollten die Einwandererkinder als Voraussetzung für den Doppelpass bis zum 21. Lebensjahr mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben und nachweisen, dass sie einen Großteil ihrer Pubertät hierzulande verbracht haben. Des Weiteren hatte der Innenminister Belege über einen deutschen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung gefordert.

In dem neuen Entwurf konnte Maas nach langen Diskussionen gegen den Willen de Maizières immerhin durchsetzen, dass für diejenigen die Optionspflicht entfällt, die bis zum 21. Geburtstag mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben oder sechs Jahre hierzulande zur Schule gegangen sind. Als Nachweis soll auch ein Schulabschluss- oder Ausbildungszeugnis reichen. Wenn die Jugendlichen die Belege nicht selbst vor ihrem 21. Geburtstag vorlegen, schauen die Behörden im Melderegister nach. Im Zweifel sollen sie bei den Betroffenen nach anderen Nachweisen fragen.

Eine Regelung zu Altfällen, die die deutsche Staatsbürgerschaft durch den Optionszwang bereits verloren haben, sieht das Gesetz allerdings nicht vor. Dies kritisierte neben Kolat auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann. Er kündigte an, dass die Fraktion im weiteren Gesetzgebungsverfahren Änderungsvorschläge einbringen werde. Auch in der Unionsfraktion grummelt es. Einige Konservative wollen, dass Migranten den Doppelpass nur nach einem erfolgreichen Schulabschluss behalten dürfen. Viel Zeit für Änderungen wird wohl nicht bleiben. Nach dem Willen der Minister soll der Gesetzentwurf schnell ins Kabinett, um noch in diesem Jahr in Kraft treten zu können.

Die Oppositionsparteien lehnten den Gesetzentwurf ab. Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck sagte, aus der eigentlich vereinbarten Abschaffung der Optionspflicht werde eine Optionspflichtverlängerung. Ähnlich äußerte sich Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Gegen den Optionszwang gebe es auch »erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken«. Dagdelen forderte, dass es Mehrstaatigkeit nicht nur für hier geborene und aufgewachsene Kinder geben solle, sondern auch für Migranten, die sich einbürgern.

Kritik kam auch von Landespolitikern der SPD aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Sie wollten über eine Bundesratsinitiative erreichen, dass die Optionspflicht komplett gestrichen wird.

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