Gauck warnt vor zu scharfer Banken-Kritik

Rede vor der Finanzindustrie: Ablehnung der Praktiken im Geldsektor dürfe nicht in Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft umschlagen

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die Ablehnung der Praktiken im Finanzsektor durch viele Bürger macht dem Bundespräsidenten Sorgen. Er habe zwar Verständnis dafür, dass das Vertrauen in die Finanzkonzerne sieben Jahre nach Beginn der Finanzkrise «angesichts mancher Exzesse» erschüttert sei, sagte Gauck in einer Rede auf dem Deutschen Bankentag in Berlin. Zugleich äußerte er aber «den Eindruck, dass auch die Kritik an diesen Zuständen manchmal das Kind mit dem Bade ausschüttet. Sie schlägt bisweilen um in allgemeine Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft. Da werden Wettbewerb und Freiheit für das Problem gehalten, nicht deren Missbrauch.» Das halte er für «fatal». Die Bürger würden sich wünschen, «dass den Banken die Leviten gelesen werden, dass noch einmal abgerechnet wird mit Gier und Größenwahn, Fehlverhalten und Kontrollverlust»; die Manager der Kreditinstitute würden «sich dagegen eine Würdigung der Reformen und einer neuen Geschäftskultur» wünschen, so Gauck: «Beide Erwartungen sind verständlich.»

«Der Bundespräsident war so zahm, dass er in Sachen Kritik von den Bankern selbst überholt wurde», hieß es bei «Spiegel online. Gauck sprach in seiner Rede von einer »Bringschuld« der Finanzindustrie, sich »am Ideal des ehrbaren Bankers zu orientieren«. Der Zusammenbruch des Geldmarkts zu Beginn der Finanzkrise habe ein falsches Verständnis von Freiheit im Bankensektor offenbart - »eine Freiheit sozusagen der Pubertierenden, die sich nur als Freiheit von etwas, von Regeln und Zwängen versteht«. Die Soziale Marktwirtschaft stehe aber für eine »Kultur der Verantwortung, die über den Bilanzgewinn hinausgeht«. Dazu gehöre auch, »Verluste selbst zu tragen«, sagte Gauck.

Sein »Zwischenfazit« sieben Jahre nach Beginn der Finanzkrise falle »gemischt« aus, sagte Gauck. »Fehler sind erkannt, politische und unternehmerische Reformen auf dem Weg.« Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Die Bürger forderte Gauck derweil dazu auf, sich intensiver mit den Grundlagen des Finanz- und Wirtschaftssystems auseinanderzusetzen. »Wer die Quellen unseres Wohlstands verstehen, persönliche Chancen nutzen und Risiken einschätzen will, der muss sich informieren und in Finanzfragen kompetenter werden«, so das Staatsoberhaupt. »Er darf sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass man über Geld nicht spricht.« Zum informierten Bürger gehöre »eine ökonomische Grundbildung«, sagte Gauck. »Studien belegen, dass viele Deutsche hier Nachholbedarf haben.« Agenturen/nd

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