Blümchen mit 180 PS

Motorräder sind zum Fahren da. Nicht, um hinterm Mann zu sitzen und den blumenberankten Kopf in den Wind zu strecken.

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
»Extra für Ladies«: Die Vorboten einer in Leder und Textil gestickten Verniedlichung von Frauen auf Motorrädern künden von rosa Nährgarn und Strasssteinchen. Und die gehören verboten.

Pink- oder rosafarbene Blümchen, am Ärmel leuchtend sattes Pink, auf dem Rücken Ornamente in den gleichen Farben, Blumenranken, Tribals, in der Mitte ein Strasssteinchen. Mir graust. Ich stehe allerdings nicht grade in der Kleiderabteilung für junge Mädchen. Sondern in einem Geschäft für Motorradbekleidung und -zubehör.

Man darf mir gern vorwerfen, ich guckte in diesem Schlaraffenland für Moppedfreaks wie eine Fünfjährige, die im Osternest ein echtes Pony gefunden hat. Ich nenne so was Begeisterungsfähigkeit. Aber diese rosafarbenen Schilder überall, die verkünden, dass es hier Klamotten für »Ladies« gibt, die drohen, mich von hier zu vertreiben, schließlich sind sie Vorboten einer in Leder und Textil gestickten Verniedlichung von Frauen auf Motorrädern.

Die Honda Fireblade, die ich mir als eines von zwei Wunschbikes gern leisten können würde, hat 180 PS und kommt auf 250 Km/h. Die Yamaha FZ8, Wunschkrad Nummer zwei, hat 106 PS und kommt auf knapp 220 Km/h. Ich verstehe nicht, wozu es da Blümchen braucht.

Bis irgendwer sich Blau als Farbe für Männerarbeitskleidung ausgedacht hat, galt Rosa eigentlich als Farbton für Jungssachen. Als kleiner Bruder vom Rot nämlich, der Farbe für Leidenschaft, Blut und Kampf. Das heute »männliche« Himmelblau hingegen war Farbe der Mädchensachen.

Wenn überhaupt, dann müssten gemäß Klischeetopf die Männerjacken und -hosen verziert werden mit buntem Kladderadatsch. Sind doch Männer bekanntlich schon als Dreikäsehoch versessen auf alles, was brummt und schneller rollen kann als das eigene Dreirad. Bliebe die Motorradtextilindustrie konsequent, müssten Männerklamotten mit kleinen Baggern, Piratenschiffchen oder Superhelden verziert sein. Aber natürlich sind Männersachen schwarz. Oder grün oder rot oder blau. Als ich mir meinen Helm gekauft habe vor ein paar Jahren, war die erste Reaktion der Verkäuferin(!) ein breites Grinsen: »Dann kommse mal mit, die Kinderhelme sind da hinten.« Besagten Laden habe ich nicht noch einmal betreten und anderswo weiß das Personal offensichtlich, dass Frauen auch Motorrad fahren. Auch wenn sie ihre Blumenrankenkombis an die Frau bringen müssen.

Das alles klingt nun, als wäre die Frauenabteilung im Motorradladen ein plüschiges Albtraumland. Dem ist ja nicht so. Wenigstens hat der »Hello Kitty«-Zweig der »Mode«-Industrie hierher noch nicht wachsen können. Soweit ich weiß, zumindest. Und der überwiegende Teil der Bekleidung ist schwarz. Aber, dass Sachen mit dem Label »Damenbekleidung« sich nicht einfach durch den Schnitt, sondern durch »florale Schmuckelemente« und »feminine Details« kennzeichnen, das ist schlichtweg Unsinn. Motorräder sind zum Fahren da. Nicht, um auf selbigen hinterm Mann zu sitzen und den blumenberankten Kopf in den Wind zu strecken.

Jedenfalls ist die fünfte Jacke, die ich anprobiere, die perfekt passt, meinen Anforderungen entspricht (und ziemlich viel Geld kostet), verziert mit Eingangs erwähntem bunten Gedöns. Was mich beinahe vom Kauf abhält. Ich kauf’ sie trotzdem, die Zahl der mir passenden Jacken ist schließlich begrenzt. Das pinkfarbene Nähgarn aufm Rücken muss irgendwie noch schwarz werden die Tage. Zu Hause liegt irgendwo noch ein Edding.

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