Keine Menschen, sondern Kostenfaktoren

Osteuropäische Beschäftigte werden in Deutschland oft ausgebeutet. Ein Blick in die Transport- und Logistikbranche

  • Jörg Meyer und Olaf Harning
  • Lesedauer: 13 Min.
Richard B.* ist Kraftfahrer aus Polen und war in Deutschland angestellt. Als er bei der Arbeit einen Schlaganfall erlitt, konnte er auf Hilfe vom deutschen Arbeitgeber nicht zählen. Sein Fall ist nur ein Beispiel für die Behandlung entsandter Beschäftigter.

Richard B.* ist ein rund 1,70 Meter großer Mann mit grauen raspelkurzen Haaren, einem verschmitzten Lächeln und einer durchweg sympathischen Ausstrahlung. Sieht man genauer hin, fällt auf, dass er humpelt, ein wenig das rechte Bein nachzieht. Das ist eine Folge des Schlaganfalls, den er am 13. August letzten Jahres erlitt, während er auf Tour war. Was folgte, ist eine bis jetzt andauernde Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber.

B. ist Berufskraftfahrer aus Polen. Im Juli 2013 begann er in Deutschland zu arbeiten, weil man hier mehr verdienen kann. Schon seit 1978 fährt Richard B. Lkw jeder Größe. Im letzten Jahr nahm er über den internationalen Personaldienstleister Holbern in Wrocław einen Job in Deutschland an, wurde angestellt bei der Firma AllerLogistic im niedersächsischen Wedemark, einen Tick nördlich von Hannover.

Holbern habe etliche Angebote für Jobs in Deutschland gehabt, »sehr viele davon aber nur für Leute mit Deutschkenntnissen«, erzählt B. Mit einem Kumpel war er zu der Agentur gegangen, ihnen seien gute Bedingungen versprochen worden, doch in der Realität in Deutschland war dann alles anders. Statt der in Polen versprochenen rund 1600 Euro brutto im Monat gab es nur 1200 Euro brutto. Ihnen sei von Anfang an deutlich gemacht worden, dass ihr Verdienst sehr stark von ihnen selbst abhänge. »Ich habe erst einmal den mir zugeteilten Wagen rundherum fotografiert. Der hatte schon sehr viele Schrammen, und sie haben mir gesagt, dass jeder Kratzer vom Gehalt abgezogen wird.« Zu Anfang hätten er und sein Kumpel überlegt, dass sie gleich wieder nach Polen zurückgehen sollten, weil der Job nicht dem Versprochenen entsprach. Sie blieben.

Richard fuhr dann mit einem »MAN Tandem« kreuz und quer durch die Republik. Geladen hatte er meist leichte, aber sperrige Styroporteile, die er selbst per Hand entladen konnte. Auf die Einhaltung der gesetzliche vorgeschriebenen Fahrt- und Ruhezeiten sei geachtet worden. Zehn Stunden Maximum, dann muss Pause sein, Lade- und Entladezeiten eingerechnet.

Dann der 13. August. Er stand auf einer Raststätte irgendwo in den Bergen, wo genau, weiß Richard B. nicht mehr. Morgens hatte er über das Navigationsgerät schon gemeldet, dass er starke Kopfschmerzen habe, erzählt der Mann beim Treffen in einem Berliner Hotel. Er habe den Schlüssel aus dem Zündschloss gezogen, konnte ihn aber mit der rechten Hand nicht festhalten. Beim Aussteigen hat er gemerkt, dass sein rechtes Bein ihn nicht tragen will. Das ging nur mit Unterstützung beider Hände, mit Abstützen am Fahrzeug. »Das rechte Bein gehorchte mir nicht mehr vollständig«, sagt Richard. »Das hat mir gehörig Angst gemacht. Ich habe noch gedacht: Wenn ich jetzt hier an der Tankstelle umfalle, werden die denken, ich bin betrunken.« Wieder eine Nachricht an den Disponenten: Er könne nicht weiterfahren, etwas stimme nicht mit ihm und mit seiner rechten Körperhälfte. »Er schrieb mir zurück, ob ich nicht noch die 670 Kilometer zurück in Richtung Berlin schaffe, um den Lkw zu entladen.«

Für einen Arztbesuch war es an dem Abend schon zu spät. Er habe dann im Lkw geschlafen und sei am nächsten Morgen zu einer Ärztin gegangen, die nach einer ersten Untersuchung sofort einen Krankenwagen gerufen habe, erzählt Richard.

Er habe nur die wichtigsten Sachen aus dem Lkw genommen. Die Rettungssanitäter drängten zur Eile. »Den Autoschlüssel habe ich bei der Ärztin gelassen.« Mit dem Krankenwagen ging es ins brandenburgische Teupitz in die neurologische Klinik. Nach Kontrolle im Computertomographen und weiteren Untersuchungen wurde ihm das ganze Ausmaß seiner Erkrankung von einem dort arbeitenden polnischen Arzt eröffnet: Hirnblutung auf der rechen Seite mit folgenden Lähmungserscheinungen.

Richard B. ist eine starke Person. Zehn Tage war er im Krankenhaus: »Eigentlich sollte ich nicht einmal alleine unter die Dusche gehen«, erzählt er, »aber ich bin jeden Morgen um sechs Uhr aufgestanden, habe fertig angezogen aufs Frühstück gewartet.« Nichtstun sei nicht das Seine, er habe immer gearbeitet.

Als er dank des Übungsprogramms im Krankenhaus wieder einigermaßen laufen konnte, gaben sie ihm einen Rollator. Damit ist Richard jeden Tag stundenlang durch die Grünanlagen der Klinik gewandert. »Ich musste ja wieder gehen lernen«, und wieder lächelt er. Er ist stolz auf seine Willensstärke, auf die Art und Weise, wie er um seine Gesundheit gekämpft hat.

Doch dann war da noch die Geschichte mit seinem Arbeitgeber, der Firma AllerLogistic. Denn dorthin mussten ja Autoschlüssel und Fahrzeugpapiere noch zurück, die zunächst bei der Ärztin lagen und dann bei einer Tankstelle in der Nähe. Außerdem war B. ohne einen Pfennig in die Klinik gekommen, erbat beim Arbeitgeber einen Lohnvorschuss, damit er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nach Hause fahren konnte. Doch daraus wurde nichts. »Ich habe sie mehrfach angerufen, SMS geschickt, aber sie haben nicht mehr reagiert«, sagt B. Letztlich war ein Fahrer unterwegs, habe ihm das Geld auf Weisung des Disponenten dann aber doch nicht gebracht - vom Lohn abgezogen wurden die 200 Euro trotzdem. Zudem erhielt er die Kündigung von der Firma. Datiert auf den 16. August wurde ihm »fristgerecht zum 16. August« gekündigt. Richard B. war noch in der Probezeit, aber auch da sieht das Gesetz eine zweiwöchige Kündigungsfrist vor. »Hilfsweise kündigen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt«, steht in dem Schreiben. Hauptsache raus.

Die Firma AllerLogistic ist keine Unbekannte - nicht nur bei ausländischen Beschäftigten. »Wenn man unterwegs auf Parkplätzen Kollegen trifft, sind die Arbeitsbedingungen fast alleiniges Thema. Sie werden kaum einen finden, der nicht sagt ›Sobald ich was besseres finde, bin ich hier weg‹«, erzählt ein deutscher Fahrer, der anonym bleiben möchte. 1300 Euro brutto Grundlohn bei 240 Arbeitsstunden im Monat, das sei die Realität. Ohne die »Prämien« wäre das ein Dumpinglohn, sagt er. »Aber die gucken ja schon am Monatsanfang, was sie alles wieder einbehalten können.« Beispielsweise die Anwesenheitsprämie: 200 Euro im Monat beträgt sie. Ist man auch nur einen Tag krank, wird die Prämie oftmals gestrichen. Wenn ein Fahrer einmal im Stau steht und zu spät zum Kunden kommt, kann die Qualitätsprämie weg sein, wieder 200 Euro. »Diese Firma legt keinen Wert auf ein vernünftiges Arbeitsverhältnis«, sagt der Fahrer. Die Fluktuation sei extrem hoch, die Zahl der ausländischen Kollegen steige, »weil die in Deutschland keine Fahrer mehr finden«.

Im Internetforum »Brummionline« taucht AllerLogistic beispielsweise im Jahr 2010 auf. Ein Fahrer fragt, ob jemand die Firma kenne, andere schreiben sinngemäß zurück: »Such Dir bloß woanders einen Job.«

Das Klima in der Speditionsbranche hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Harte körperliche Arbeit und lange Abwesenheitszeiten von zu Hause treffen oft auf schlechte Bezahlung und das Prinzip: »Wer meckert, fliegt raus.« Osteuropäische Beschäftigte trifft es besonders hart, auch in anderen Branchen.

»Oft unterschreiben entsandte Arbeitnehmer Arbeitsverträge, die nicht in ihrer Muttersprache abgefasst sind«, sagt die Europa-Abgeordnete Jutta Steinruck (SPD) gegenüber »nd«. Zudem kennen sie ihre Rechte im Gastland nicht. Deswegen seien auch verpflichtende Beratung und Information im Heimat- und im Gastland so wichtig. Das wollten SPD, LINKE und Gewerkschaften auch in der neuen Entsenderichtlinie enthalten sehen, die das Europaparlament am Mittwoch verabschiedet hat. Pustekuchen. »Eine Revision der Entsenderichtlinie hätte sicherstellen können, dass entsandte Arbeitnehmer immer den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort erhalten«, sagt Steinruck. Doch im Ergebnis bezieht sich das nur auf allgemeinverbindliche Tarifverträge und Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz. Auf gut ein Dutzend Branchen in Deutschland trifft das zu. Nicht aber auf die Transportbranche.

Überdies werde die Diskussion um Zuwanderung noch immer unter falschen Vorzeichen geführt, sagte Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes bei der Konferenz zu »Fairer Mobilität« vergangene Woche. Denn es geht nicht um massenhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme, wie es aus konservativen Parteien zu hören ist. »Über 65 Prozent der aus Rumänien und Bulgarien Zugewanderten haben einen Facharbeiterabschluss«, so Buntenbach, über 25 Prozent zählten zu den Hochqualifizierten. »Der eigentliche Missbrauch ist da zu suchen, wo Unternehmer die schwache Situation ausländischer Beschäftigter ausnutzen.«

Richard B. ist kein Einzelfall, die Ausbeutung osteuropäischer ArbeitnehmerInnen nicht nur in der Speditionsbranche weit verbreitet. »Leider ist das nur ein Beispiel von vielen« sagt Jutta Steinruck. Bei ihr liegen derlei Geschichten jeden Tag auf dem Schreibtisch »und zwar aus allen Branchen«. Für die Sozialdemokratin sind grenzüberschreitende Entsendungen »eine Errungenschaft für Europa, allerdings muss der massive Missbrauch bekämpft werden«. Es müsse fair zugehen. Wettbewerb dürfe nicht auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen ausgetragen werden.

»Warum kann sich eine Firma das erlauben?« Noch immer schüttelt Kacper Wieczorek* den Kopf, wenn er an seinen letzten Arbeitgeber zurückdenkt. Gebrochene Absprachen, willkürliche Lohnabzüge und selten einmal freie Tage - ein halbes Jahr lang war das sein Arbeitsalltag. »Das Vorstellungsgespräch war erste Sahne«, erinnert sich Wieczorek an seinen Start bei Hieke-Logistik im niedersächsischen Herzberg (Harz). 1800 Euro sollte er verdienen, »drei Wochen Fahren, eine Woche nach Hause« war verabredet. »Aber kaum hattest du angefangen«, erzählt der 55-Jährige, »kamen die Abzüge«. Mal verzeichnete die Abrechnung eine »zu viel getankte Dieselmenge«, mal Stichworte wie »Sauberkeit«, »Papiere« oder auch eine ominöse »Bearbeitungsgebühr«. Am Ende fehlten dem »Kierowca«, wie Fahrer in Polen heißen, jeden Monat mindestens 150 Euro des vereinbarten Lohnes.

Schon als Kind wollte Kacper Wieczorek Fahrer werden, seit 1979 sitzt er nun auf dem Bock - seit 35 Jahren also. Bis Anfang der 1990er Jahre fuhr er für ein Staatsunternehmen, dann erlebte er den Zusammenbruch des Ostblocks auf ganz individuelle Weise: »Bevor alles bergab ging«, erinnert er sich, »haben die Chefs alle zwei, drei Lkw genommen, Firmen gegründet und dann haben sie die Fahrer beschissen, wo es nur ging.« Ausbeutung hat eben keine Nationalität. Sie ist international. Auch ein jüngerer Kollege hat schon seine Erfahrungen. Erst seit fünf Jahren fährt er Lkw und auch ihm wurden bei Hieke-Logistik Teile des Lohns abgezogen. Einmal wollte der Disponent ihn sogar überreden, den Tacho zu manipulieren - wegen einer geringfügig überschrittenen Lenkzeit. Er lehnte ab.

Bei Hieke selbst ist man wortkarg, wenn man mit derlei Anschuldigungen konfrontiert wird. »Mit solchen Sachen wäre ich vorsichtig«, warnt eine Stimme am Telefon und will mal »mit dem Chef sprechen.« Eine Rückmeldung bleibt aus, auch der zweite Versuch versickert schon in der Zentrale des Unternehmens. Angst vor gröberen Konsequenzen muss der Logistiker ohnehin nicht haben: Das ruppige Vorgehen gegen Fahrer ist weit verbreitet, kommt »in den besten Familien« der Transportbranche vor.

Das bestätigt auch Jochen Empen vom Projekt »Faire Mobilität«. In mehreren deutschen Städten versuchen Beraterinnen und Berater der DGB-Initiative, ausländische Beschäftigte bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu unterstützen. Empen sitzt im Hamburger Gewerkschaftshaus, mahnt von hier aus fehlende Löhne an oder vermittelt muttersprachliche Anwälte. Bei Hieke hat er zunächst selbst angerufen, konnte aber nur einen Teil der Wieczorek vorenthaltenen Spesen eintreiben. Erst der von Empen eingeschaltete Arbeitsrechtler Artur Schulz war erfolgreich. Er konnte für seinen Mandanten eine Nachzahlung von mehr als 1000 Euro erreichen.

Der Anwalt mit Sitz in Berlin kennt sich mittlerweile aus in der Transportbranche. »Das Problem ist«, so Schulz, »dass in Deutschland sehr stark mit Ausschlussfristen gearbeitet wird.« Die nämlich spielen in Polen und vielen anderen Ländern kaum eine Rolle, so dass die Fahrer oft ahnungslos sind und ihre Ansprüche zu spät anmelden. Drei Monate ab Fälligkeit, so steht es in vielen Arbeitsverträgen, verfallen selbst systematisch einbehaltene Gelder. Wer danach zu Empen oder Schulz kommt, hat meist keine Chance mehr, seinen Lohn einzuklagen. Bei Wieczorek hat es geklappt. Und noch etwas tröstet den 55-Jährigen: Zusammen mit einem jüngeren Kollegen hat er inzwischen eine Firma gefunden, in der nicht betrogen wird, die sich fair verhält gegenüber den Fahrern. Hier in Vechta verdient er jetzt viel mehr, er sei zufrieden mit seinem Lohn, sagt er. Die Wochenenden sind frei, und Wieczorek kann sogar hin und wieder nach Hause fahren. Dort, etwas östlich von Krakow, leben seine Frau und vier Kinder.

Eine Patientenbetreuerin im Krankenhaus half Richard B. letztlich ein großes Stück weiter, erzählt er. Sie kaufte ihm eine Telefonkarte, damit er seine Familie und das polnische Konsulat anrufen konnte. Und sie lieh ihm das Geld für die Fahrkarte nach Polen nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Auch als der Arbeitgeber nicht mehr auf Anrufe und SMS reagierte, half die Betreuerin, schickte Schlüssel und Papiere nach Wedemark. B. hatte zuvor mehrfach versucht, den Disponenten darüber zu informieren, dass er am 23. August wieder nach Polen zurückfährt - erfolglos. Letztlich kam eine Mietwagenrechnung über rund 170 Euro, die ihm vom Lohn abgezogen wurde. Ein Fahrer sei vergeblich losgefahren, um den Schlüssel aus der Klinik abzuholen, hieß es seitens AllerLogistic. Die Wagenrechnung weist als Mietzeitraum den 25. und 26. August aus. »Sie wussten, dass ich da schon weg war«, sagt dagegen Richard. Der Disponent habe ihn, als er am Abend der 23. auf der Rückfahrt schon in Polen war, erreicht. Und gefragt, wo er sei, wo die Schlüssel seien.

Zu dem Zeitpunkt hatte er sich aber schon Beratung organisiert: Eine Mitarbeiterin des polnischen Konsulats hatte B. die Nummer der Beratungsstelle »Faire Mobilität« in Hamburg gegeben. So kam auch er mit Jochen Empen in Kontakt.

»Richards Fall ist kein typischer«, sagt Empen gegenüber »nd«. »Frappierend ist hier aber der Umgang mit dem Beschäftigten B., der nicht als Mensch oder Kollege behandelt wurde, sondern als Kostenfaktor.« Das ist sicherlich kein Problem speziell von entsandten Beschäftigten. Doch die Erfahrung der Beraterinnen und Berater zeige, dass die Ausbeutung und der Lohnbetrug leichter fallen, wenn die Betroffenen ihre Rechte nicht kennen und so nicht wissen, wie sie sich wehren können.

Empen setzt sich in Norddeutschland überwiegend mit den Fällen polnischer Beschäftigter auseinander. 80 Prozent seien es, zehn Prozent der Klienten stammen aus Rumänien, vier Prozent aus Ungarn. Mehr als ein Viertel derer, die sich an die »Faire Mobilität« in Hamburg wenden, arbeitet in der Fleischindustrie. Hier geht es meist um Leiharbeit und bei Subunternehmen Angestellte. 19 Prozent arbeiten auf dem Bau. Die hier auftretenden Probleme haben meist mit Werkverträgen und Scheinselbstständigkeit zu tun - und 16 Prozent der ArbeitnehmerInnen, die die Hamburger vertreten, arbeiten als Kraftfahrer oder in Lagerhäusern. »Hier haben sich ohne Ausnahme Menschen an uns gewandt, die feste Arbeitsverträge haben«, erzählt Empen.

Die »Klassiker«, branchen- und herkunftsunabhängig, sind Lohnzurückhaltung und -kürzung. In allen Beratungsstellen zusammen 34 Prozent der Fälle im Vorjahr. Dazu zählen Einstellung der Zahlungen bei Krankheit oder Urlaub. Oft werde im Fall einer Kündigung das Gehalt des letzten Monats ganz einbehalten, so Empen. Die Betroffenen sind dann meist wieder zu Hause und klagen das Geld nicht ein.

Doch langsam hat es sich herumgesprochen, dass es das DGB-Projekt mit seinen Beratungsstellen in Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, München, Stuttgart und Dortmund seit 2011 gibt. Die Fallzahlen explodieren, die Beraterinnen und Berater sind ausgelastet. Im Schnitt hatten sie 2012 noch 205 Fälle, 2013 waren es 270. Insgesamt stieg die Zahl von 1946 auf 3475 Fälle - Stuttgart und Dortmund wurden allerdings erst im letzten Jahr eröffnet. Im Bundesdurchschnitt sind es in knapp 50 Prozent der Fälle Polen, die Hilfe suchen.

»Der Trucker mit dem Schlaganfall« war einer von ihnen. Dass er je wieder Lkw fahren wird, ist nahezu ausgeschlossen. Die 200 Euro Vorschuss hat er zwar wiederbekommen, das abgezogene Geld für den Mietwagen ist dagegen weg. Empen erklärt ihm auf polnisch, dass es schwer werden könnte, für ihn eine Rente in Deutschland zu erhalten, obwohl er hier erkrankt sei, bei Arbeiten für einen deutschen Arbeitgeber. An diesem Punkt lächelt Richard B. nicht mehr. *Namen geändert

Die genannten Unternehmen wollten sich trotz mehrfacher Anfrage von »neues deutschland« zu den Vorwürfen nicht äußern.

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