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Berlusconi macht von sich reden - mit Absurdem

Italiens Expremier wirft SPE-Spitzenkandidat Martin Schulz und den Deutschen Leugnung von Konzentrationslagern vor

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Der ehemalige italienische Regierungschef Silvio Berlusconi hat im Europawahlkampf für seine rechtskonservative Partei Forza Italia für einen Eklat gesorgt.

Silvio Berlusconi hat viele Feindbilder: die »Kommunisten«, den »Euro« und nicht zuletzt »die Deutschen«. Jetzt hat er wieder einmal tief in die Trickkiste der Wahlpropaganda gegriffen und den Spitzenkandidaten der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) für das Europaparlament, Martin Schulz, und gleich alle Deutschen beleidigt.

Das erste Kapitel dieser Saga wurde vor elf Jahren geschrieben. Im Juli 2003 erklärte der damalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi während einer Rede im Europaparlament, er wolle den deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz für eine Rolle als KZ-Aufseher vorschlagen. Die Gesichter der Parlamentarier spiegelten erst Unglauben und dann Empörung wieder. Bei einer Wahlveranstaltung seiner Partei Forza Italia in Mailand hat Berlusconi am Wochenende die Geschichte von damals wieder ausgegraben und noch einen draufgesetzt.

»Ich wollte niemanden beleidigen«, sagte der verurteilte Steuerbetrüger, der demnächst seine Sozialstunden in einem Altersheim ableisten muss. »Aber der Saal hat vollkommen überreagiert, weil die Deutschen die Existenz der Konzentrationslager leugnen. Das Massaker von Katyn ja«, so Berlusconi wörtlich, »aber die Konzentrationslager nein.«

Diesmal kamen die Reaktionen sofort. David Sassoli, Delegationschef der Demokratischen Partei im Europaparlament, fragte sich, ob der Alkoholspiegel in Berlusconis Blut wohl zu hoch gewesen sei, als er solchen Blödsinn von sich gab. Und stellte dann die Frage, die derzeit wohl viele europäische Politiker beschäftigt: »Wie können die Abgeordneten von Forza Italia nach diesen absurden Äußerungen jetzt in die Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europaparlament aufgenommen werden, wo sie mit Vertretern des demokratischen Deutschlands zusammenarbeiten sollen, das aus der Asche der Konzentrationslager hervorging?«

Viele andere italienische Politiker verweigerten einen Kommentar, darunter auch Ministerpräsident Matteo Renzi: »Ich äußere mich nicht zu den Worten eines Mannes, der aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs noch nicht einmal als Kandidat für die Wahlen aufgestellt werden kann.« Sehr wohl reagierten aber Berlusconis Freunde auf die empörten Kommentare aus dem Ausland: Die Fraktionsvorsitzenden von Forza Italia im italienischen Parlament Paolo Romani und Renato Brunetta beschuldigten Martin Schulz, aggressiv reagiert zu haben und die Worte Berlusconi gewollt missverstanden zu haben, wie es in der Tradition der »ordinärsten Linken« liegt. »Schulz hat unser Land und Berlusconi schon oft beleidigt und darf sich also nicht beschweren.«

SPE-Chef Sergej Stanischew bezeichnete Berlusconis Äußerungen als eine »Beleidigung« des »gesamten deutschen Volks« und nicht nur seines Parteifreundes Schulz.

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