Mummenschanz und Hexerei

Ingolf Bossenz über kirchliche Spektakel und spektakuläre Versäumnisse

  • Lesedauer: 1 Min.

»Da haben wir es also: Eine kirchliche Ordnung mit Priesterschaft, Theologie, Kultus, Sakrament; kurz, alles das, was Jesus von Nazareth bekämpft hatte.« Wer dieses Diktum Friedrich Nietzsches wieder einmal bestätigt haben wollte, brauchte am Sonntag nur einen Blick in die Live-Übertragungen vom Mummenschanz des Jahres auf dem römischen Petersplatz zu werfen: Hunderttausende erwachsene Menschen, die unter der Regie bizarr gewandeter Männer inbrünstig einen Hautfetzen und eine Ampulle Blut von zwei toten katholischen Kirchenfürsten anbeteten.

Um nicht ungerecht zu sein: Natürlich ist solch ein Showspektakel allemal angenehmer als andere öffentliche Darbietungen christlicher Nächstenliebe, wie sie in vergangenen Jahrhunderten üblich waren. Zum Beispiel die Hinrichtungen von »Hexen« und »Hexern«. Klar, das ist lange her. Außerdem: Bei der Verfolgung dieser Delikte gegen Gott und Glauben taten sich besonders die Protestanten hervor. Schließlich war Luther ein zutiefst von Teufelswerk und -zeug Überzeugter. Immerhin: Es ist ein evangelischer Pfarrer - Hartmut Hegeler - , der sich seit Jahren für die Entlastung der rund 25 000 in Deutschland Exekutierten einsetzt. Ein öffentlicher Rehabilitationsakt der christlichen Großkirchen, in ökumenisch-trauter Eintracht, würde auch im Fernsehen ein gutes Bild bieten.

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