Neonazis terrorisieren Berlin-Buch

Im Nordosten der Hauptstadt versuchen Rechtsextremisten mit Gewalt, eine Angstzone zu etablieren

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach den jüngsten rechten Vorfällen gegen SPD-Wahlkämpfer soll im Mai mit einem Aktionstag und einer antifaschistischen Demonstration der Widerstand gegen die Neonazis in Berlin-Buch verstärkt werden.

Wer sich im Ortsteil Buch im Nordosten Berlins auf Spurensuche nach Rechtsextremen begibt, muss nicht lange schauen. Gleich nach dem Ausstieg aus der S-Bahn sticht die große Zahl an Wahlplakaten der rechtsextremen NPD ins Auge, von anderen Parteien ist dagegen kaum etwas zu sehen – oder deren Werbung ist zerstört. Nur hier und da hängen »Bunt statt Braun«-Plakate der Grünen oder Anti-Nazi-Plakate von SPD und LINKEN. Auffällig ist auch die hohe Zahl von Jugendlichen mit Kurzhaarschnitten in der lokalen Einkaufspromenade, von denen einige die bei Rechten beliebte Marke »Thor Steinar« tragen. Im nahe gelegenen Wohngebiet mehren sich die Zeichen für die Präsenz von Neonazis: Aufkleber in schwarz-weiß-roten Lettern fordern zum Gedenken »an deutsche Soldaten« auf, Parolen wie »NS jetzt!« prangen auf Hauswänden.

Dass es in Buch aber nicht nur bei Propagandadelikten der Rechten bleibt, belegt ein Vorfall vom vergangenen Wochenende: Da musste ein Wahlkampfteam der SPD seine Arbeit abbrechen, weil es von Neonazis bedroht wurde. »Die Polizei sagte, sie könne nicht gleichzeitig den Infostand und den Abzug der anderen Wahlkämpfer schützen«, sagt der SPD-Abgeordnete Dennis Buchner dem »neuen deutschland«. Wie häufig, wenn Neonazis Angstzonen etablieren wollen, fotografieren die Rechtsextremisten ihre Gegner zur Einschüchterung. Dabei wurden auch konkrete Drohungen ausgesprochen. Neu ist, dass es nicht bei Pöbeleien blieb, sondern die Rechten Verstärkung herbeitelefonierten. »Das Dutzend Neonazis bedrohte uns dann auch körperlich«, sagt Buchner. Der Pankower Abgeordnete hat sich inzwischen an Polizeipräsident Klaus Kandt gewandt, der sicherte zu, die bedrohliche Lage in Buch in einem Gespräch nachzubereiten.

Unterstützung kommt unterdessen auch vom Landesvorstand der SPD. Dieser beschloss am Montag, Geld nachzuschießen, damit der Kreisverband nachplakatieren könne. Außerdem soll in Zukunft das »be-Team«, eine Gruppe ehrenamtlicher SPD-Mitglieder, die lokalen Strukturen im Wahlkampf unterstützen, sagt SPD-Sprecherin Josephine Steffen. »Wenn wir selber mit zehn Leuten vor Ort sind, steigert das auch das subjektive Sicherheitsgefühl«, begrüßt Buchner die Maßnahme.

Genauso im Visier der Rechten in Buch stehen allerdings auch andere Parteien wie Grüne, Piraten oder die Linkspartei. Der Ortsteil ist bereits seit Jahren ein Schwerpunkt der rechtsextremen Szene in Berlin. »In Pankow ist es der Ortsteil mit den meisten rechten Vorfällen«, sagt Andreas Ziehl vom Pankower Register. Die Netzwerkstelle dokumentiert rechtsmotivierte Angriffe, Vorfälle und Propaganda. Und diese nehmen in Buch stark zu: Waren 2012 insgesamt 23 solcher Vorfälle zu verzeichnen, waren es 2013 bereits 53. Die gestiegene Zahl hängt möglicherweise mit einer gesteigerten Sensibilität im Ortsteil zusammen, Dinge zu melden, zugleich gibt es aber auch immer mehr direkte Konfrontationen, sagt Ziehl.

Hinter dem rechten Terror stecken vor allem die »Freien Nationalisten Buch«, die früher auch unter dem Label »AG Buch« auftraten. »Das ist eine rechtsextreme Gruppierung, die durchaus lokal verankert ist«, sagt Michael Trube von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Unterstützung erhalten die eher aktionsorientierten Bucher Neonazis von Personen, die früher als »Nationaler Widerstand Berlin« firmierten. Verstärkt ist auch eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen NPD und deren Jugendverband JN zu beobachten.

Um den Widerstand gegen die Rechten in Buch zu verstärken, planen zivilgesellschaftliche Organisationen und Parteien am 17. Mai einen Aktionstag. Das Motto: »Sei demokratisch, sei respektvoll, sei Buch!« Ziel ist es aufzuzeigen, dass Buch jenseits der Rechtsextremen eine andere, vielfältige Seite hat, sagt Andreas Ziehl. Am 23. Mai ist zudem die antifaschistische Gedenkdemonstration für Dieter Eich geplant. Der damals 60-jährige Sozialhilfeempfänger war in der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2000 von Neonazis in seiner eigenen Wohnung in Buch ermordet worden.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal