Keine Entlastung für Verbraucher

Auch nach der Neuregelung des EEG wird es viele Ausnahmen für die Industrie geben

  • Eva Mahnke
  • Lesedauer: 3 Min.
5,1 Milliarden Euro müssen Verbraucher 2014 für die Ökostromförderung mehr zahlen, weil der Bund die Industrie entlastet. Nun verschärfen sich zwar die Bedingungen, der Betrag aber bleibt.

Sie sind das Stück, das Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) noch fehlte, um den Gesetzentwurf zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu komplettieren: die Regelungen zu den umstrittenen Industrierabatten. Am Donnerstag berät der Bundestag das Gesetzespaket in erster Lesung. Zuletzt war die Zahl der begünstigten Unternehmen auf über 2000 angestiegen. Insgesamt wird ihnen in diesem Jahr ein Betrag von 5,1 Milliarden Euro erlassen. Das Vertrackte dabei: Jeden Euro, den die industriellen Großverbraucher nicht zahlen, müssen Haushalte und kleinere Unternehmen schultern.

Vor allem aber waren die Indus- trierabatte der EU-Kommission ein Dorn im Auge, die hierin eine unerlaubte Beihilfe für die deutsche Industrie sieht. Diese Auffassung teilt die Bundesregierung zwar nicht, hat nun aber mit Blick auf das laufende Beihilfeverfahren der EU gegen Deutschland die Neuregelung der Industrierabatte an die jüngst neu aufgelegten EU-Beihilfeleitlinien angepasst. Künftig sollen Unternehmen aus 219 Branchen antragsberechtigt sein. Ausschlaggebend ist, dass sie einen hohen Stromverbrauch haben und im internationalen Wettbewerb stehen. 68 Branchen, darunter Papierproduzenten, Hersteller von Industriegasen und die Zementindustrie, sollen laut Kabinettsbeschluss vom Mittwoch teilweise von der EEG-Umlage befreit werden, sofern ihre Stromkosten mindestens 16 Prozent, ab dem kommenden Jahr 17 Prozent, ihrer Bruttowertschöpfung ausmachen. Für weitere 151 Branchen, darunter Schlacht- und viele Lebensmittelbetriebe, liegt die Schwelle bei 20 Prozent. Zuletzt galt für alle Unternehmen eine pauschale Hürde von 14 Prozent. Damit hat die Bundesregierung die Kriterien deutlich verschärft und geht - für viele überraschend - sogar noch über das hinaus, was die EU-Kommission in ihren Beihilfeleitlinien fordert.

Auch in einem weiteren Punkt führt der Gesetzesentwurf aus Gabriels Haus etwas ein, was die EU-Leitlinien so nicht vorsehen: Künftig müssen alle privilegierten Unternehmen für die erste Gigawattstunde verbrauchten Stroms die volle EEG-Umlage zahlen. Für alles, was darüber hinausgeht, werden 0,1 statt wie bisher 0,05 Cent pro Kilowattstunde fällig. Insgesamt wird die EEG-Umlage bei vier Prozent, in besonders stromintensiven Unternehmen bei 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gedeckelt. Die Firmen, die nun aus dem System fallen, bekommen pauschal 80 Prozent Ermäßigung auf die Umlage - ohne Zeitbegrenzung.

Trotz der Mehrzahlungen und erhöhter Schwellwerte dürfte sich die Gesamtsumme der Industrierabatte kaum verringern. Ziel der Bundesregierung ist es - entgegen Gabriels ursprünglichem Versprechen, die Ausnahmen um eine Milliarde zu reduzieren -, die Kosten für die Rabatte auf dem gegenwärtigen Niveau zu stabilisieren. Das heißt: Entlasten werden die neuen Regeln Verbraucher und Kleinunternehmer nicht. Die Opposition ist empört. »Die schwarz-rote Bundesregierung verpasst die Chance, die massenhafte Ausweitung der Ausnahmeregelungen unter Schwarz-Gelb ernsthaft auf wirklich strom- und außenhandelsintensive Branchen zu reduzieren«, sagte der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer. Gabriel mache sich zum Diener der Industrie und verrate den kleinen Verbraucher, kritisierte die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Eva Bulling-Schröter. »Das neoliberale Märchen vom bedrohten Standort Deutschland geht damit in die nächste Runde. Industrierabatte bleiben, Großunternehmen fahren weiter Gewinne ein und bürden Kosten der Energiewende der Allgemeinheit auf.«

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