»Land des Lächelns« vor dem Kollaps

Thailand ist im Kampf um die Macht tief gespalten / Regierungsgegner rüsten zum »letzten Gefecht«

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.
Während die Senatoren am Montag in Bangkok informell über die Lage im Lande berieten, bestand die amtierende thailändische Regierung auf Wahlen zur Lösung der politischen Krise.

Vor einem Jahrzehnt noch ein Beispiel dafür, dass Demokratie und Wirtschaftswachstum in Südostasien durchaus Hand in Hand gehen können, scheint Thailand nun am Boden. Touristen bleiben aus und Investoren, die sich seit Jahren mit Regierungswechseln und veralteten Gesetzen herumschlagen müssen, verlassen das Land. Zugegeben, viel an Thailands Regierungspolitik ist machiavellistisches Blendwerk. Doch die Arroganz, mit der die demagogischen Pseudodemokraten um Suthep Thaugsuban die Hauptstadt seit Monaten tyrannisieren, brüskiert inzwischen auch immer mehr politische Gegner der vergangene Woche durch Verfassungsrichter abgesetzten Premierministerin Yingluck Shinawatra.

Zwar hatte sich Yingluck den als »Justizcoup« kritisierten Schuldspruch auch selbst anzurechnen, stand ihre Regierung am Ende doch für hanebüchenen Zustände. Doch sei ihre Absetzung »Zeichen der Verzweiflung, nicht der Stärke« einer alten Elite, die immer mehr Einfluss verliert, so der britische Thailand-Experte Duncan McCargo. Suthep soll diese alte Elite zurück an die Macht bringen. Stattdessen schaufelt er nach und nach ihr Grab.

Inzwischen haben seine letzten verbliebenen Demonstranten ihr Refugium im malerischen Lumpini Park verlassen und belagern wieder die riesige Ratchadamnoen-Allee, um schließlich doch noch den Sieg zu erlangen. Auch der Regierungssitz ist in der Hand der von vermummten Militanten angeführten Opposition, der sich keine Polizei entgegenstellt. Suthep hatte gefordert, dass der Senat und das Oberste Gericht bis zum gestrigen Montag einen Interimspremier einsetzen sollten, »sonst machen wir es selbst«. Doch das schien dann auch den obersten Gremien des Landes zu viel des Guten. Gemeinsam wiesen Senat, Justiz und Wahlbehörde die verlangte Anwendung von Verfassungsartikel 7 zurück, wonach der König einen politischen Führer benennen kann. Der Monarch sei der König aller, hieß es aus Militärkreisen knapp.

Die geeinte Front gegen Suthep mag wieder Teil einer größeren Strategie sein, um gegenüber der Öffentlichkeit Fairness und Unbefangenheit vorzutäuschen, während im Hintergrund der Plan Gestalt annimmt, eine handverlesene Regierung einzusetzen. Die könnte dann die »abgesetzte« Regierungspartei abermals verbieten, was das »Thaksin-Regime« von Wahlen ausschließen würde, die in rund zwei Jahren folgen sollen. Das würde das Parteivehikel der Krone, die Demokraten, zurück an die Macht bringen - obwohl sie seit zwei Jahrzehnten scheitern und daher die Neuwahlen im Februar boykottierten, um nicht eine neue Schmach zu erleiden.

Doch so sehr Thailands anachronistischen Kräfte das Rad der Zeit auch mit harter Gesetze gegen »Majestätsbeleidigungen« zurückzudrehen versuchen, am Ende stärken sie die Bewegung, die sie bis aufs Blut hassen. Die von der Elite geschasste Yingluck würde Wahlen derzeit spielend gewinnen, auch wenn der Bangkoker Mittelstand das Gerichtsurteil gegen sie als Bestätigung dafür sah, dass an einer Thaksin-Schwester nichts Gutes sein könne.

Das Land bezahlt mit der gegenwärtigen politischen Krise die Zeche für Jahrzehnte des blinden, indoktrinierten Gehorsams gegenüber Obrigkeiten, für Straflosigkeit der Einflussreichen und für Tabus, die in dieser Zeit nichts verloren haben. Thailänder wollen frei denken und handeln, doch die Totengräber des alten Systems bäumen sich zur letzten Schlacht auf. Dem tief gespaltenen Königreich droht der Kollaps. Dabei wäre doch ein Kompromiss ein geringer Preis, um das einstige »Land des Lächelns« vor der Katastrophe zu retten. Die Regierung bot auch Gespräche an, doch der selbstversessene Suthep will »alles oder nichts«. Solange sich ein paar Hundert bezahlte Schläger auftreiben lassen, die nach Belieben Passanten verprügeln, ohne die Polizei fürchten zu müssen, wird Suthep wieder und wieder ungestraft zum »Endsieg« aufrufen. Die Regierung, sagt Suthep, sei doch nur noch ein »kopfloser Geist«.

Inzwischen sind zumindest Vierergespräche hinter den Kulissen zwischen dem Chef der Demokraten, Abhisit Vejjajiva, Interimspremier Niwatthamrong Bunsongphaisarn und den Vorsitzenden des Senats und der Wahlbehörde angelaufen. Für den 20. Juli oder 3. August anberaumte Wahlen würden Klarheit schaffen. Doch auch wenn Abhisit akzeptiert: Er hat längst die Kontrolle über seinen früheren Vizepremier Suthep verloren, der in seinem Größenwahn nicht locker lässt, bis er seinen oder einen gescheiterten Staat hat. Außer, er würde endlich verhaftet.

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