Missbrauch

Uwe Kalbe über Angela Merkels Absage an eine EU-Sozialunion

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Angela Merkel wurde bisher sogar bei ihren Kritikern als integer wahrgenommen, erhaben über die zu kleine Münze. Nun hat dieses Bild Kratzer bekommen. Mit ihrer Warnung vor Sozialmissbrauch übernimmt sie das grobschlächtige Wahlkampfversprechen der CSU, ein stets misstrauisches Auge auf Ausländer zu haben, um Unwissenheit und Vorbehalte in klingende Wahlergebnisse umzumünzen. Das Wort vom Missbrauch macht die Runde. Um Sozialmissbrauch auszuschließen, wird an Gesetzesinitiativen gearbeitet, um Sozialmissbrauch zu ahnden, werden Gefängnisstrafen erwogen. All das, obwohl es das Erschleichen von Sozialleistungen wie Kindergeld oder Hartz IV in nennenswerter Größenordnung gar nicht gibt.

Der Wahltermin am Sonntag rückt näher, der Ton wird rauer. Doch das ist nur ein Teil der Botschaft. Der andere ist ein alarmierendes Geständnis. Angela Merkel erklärt den Verzicht auf die soziale Dimension EU-Europas zum Konzept. Zwar hat sie nach diesem auch bisher gehandelt, als sie Krisenmanagerin in Europa spielte. Aber zu einem Bekenntnis in der nun gehörten Art hatte sie sich noch nicht aufgerafft: »Europa ist keine Sozialunion.« Dann bleiben wohl Wirtschaftsunion, Bankenunion und womöglich Militärunion. Eine Werteunion, die Merkel gern beschwört, ist ohne soziale Dimension nichts wert. Insofern ist Merkels Missbrauch ein doppelter. Sie lässt Migranten für den Wahlsieg der Konservativen zahlen - und für die Formung der EU als Interessengemeinschaft allein der Herrschenden auch noch.

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