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Bäderbetriebe sind Berlins Sorgenkind Nummer eins

Die 45 Millionen-Euro-Zuschuss pro Jahr vom Land Berlin für das kommunale Unternehmen reichen nicht aus

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit einem Gesamtkonzept will Bäderchef Ole Bested Hensing die maroden Bäderbetriebe sanieren – ein Besuch des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh im Sommerbad Pankow offenbart die riesigen Probleme.

29 Grad Lufttemperatur, strahlender Sonnenschein. Was gibt es Schöneres, als bei solchem Wetter ins Schwimmbad zu gehen. Das dachten sich auch Claudia Krieg und ihr Freund, die in Pankow wohnen. Doch im Sommerbad des Bezirks in der Wolfshagener Straße sind die Eisentore am Freitagvormittag fest verrammelt – dabei haben die beiden Endzwanziger extra im Internet geschaut. »Ab 18. Mai soll hier ab acht Uhr offen sein«, schimpft Krieg. Die Aushänge der Berliner Bäder Betriebe (BBB) bieten keine Hilfe, in dem milchigen Kasten hängen noch die veralteten Preis- und Öffnungszeitentabellen aus dem vergangenen Jahr.

Zumindest im Netz müssen sich die beiden Badegäste versehen haben, denn dort heißt es, dass das Sommerbad Pankow am 7. Juni eröffnen soll. Doch auch diesen Termin werden die Bäderbetriebe nicht einhalten können, wie bei einer Begehung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh und dem Vorstandsvorsitzenden der Bäderbetriebe, Ole Bested Hensing, im Sommerbad am Freitag deutlich wird. Denn weil die Wasserbetriebe dem Sommerbad kurzerhand den Abfluss abgeklemmt hatten, konnte die rund 4000 Kubikmeter Wasser aus den Edelstahlbecken nicht rechtzeitig abgelassen werden. Deshalb dürfte sich die Eröffnung des Schwimmbades sogar auf den 14. Juni verzögern, geschlossen wird es dann Ende August.

Für die zahlreichen jungen Familien, die in den vergangenen Jahren nach Pankow zugezogen sind, ist die Öffnungspolitik des Sommerbades unterdessen kaum nachzuvollziehen. »Ich kann das meinen fünf Kindern nicht erklären«, sagt ein Vater, der gleich nebenan wohnt. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie es sich das klamme Landesunternehmen leisten kann, sich möglicherweise drei Wochen bestes Sommerwetter und satte Einnahmen entgehen zulassen? Immerhin gibt es in Pankow doch einen riesigen Bedarf, Zehntausende unterschrieben beispielsweise eine Petition für den Erhalt der 2001 geschlossenen Schwimmhalle, die direkt neben dem Sommerbad liegt und inzwischen stark beschädigt ist. Aktuell werden auf der Seite change.org für eine Petition gegen die Preispolitik der Bäderbetriebe ebenfalls Unterschriften gesammelt, mehr als tausend Berliner haben bereits unterschrieben.

Bäderchef Ole Bested Hensing kennt die Kritik. Doch eine frühe Öffnung im Mai und späte Schließung im Oktober hält er für unrentabel. »Viele Besucher haben wir in diesen Monaten nicht«, sagt Hensing. Im vergangenen Jahr haben acht Mitarbeiter bei Nieselregen manchmal einen Gast betreut. Dazu komme, dass im Sommerbad Pankow das Wasser mit Solar geheizt werde, weshalb das Erreichen einer Wassertemperatur von 25 Grad Zeit erfordere.

Aber wenn der Sommer bereits da ist, müssten die Bäderbetriebe nicht flexibler reagieren? Auch das kleine Informationschaos zu den Öffnungszeiten erinnert fatal an das Kommunikationsdesaster zu Beginn des Jahres, als das Unternehmen viel Kredit bei den Badegästen wegen des neuen, teilweise teueren Tarifsystems verspielte. Auch im Sommerbad Kreuzberg gab es zur Eröffnung vor kurzem Irritationen über die Tarife. Was im Kleinen in Kreuzberg und Pankow schiefgeht, verdeutlicht sehr gut das große Ganze. Immer klarer wird: Die Bäderbetriebe sind das Sorgenkind Nummer eins des Landes Berlin. Jahrelang auf Verschleiß gefahren, jetzt sogar offenbar fast pleite und bislang ohne Konzept, wie es aus dieser Krise wieder rausgehen soll.

An einem solchen Gesamtkonzept arbeitet Ole Bested Hensing indes seit längerem. Wie zu hören ist, liegt es bereits vor. Noch im Juni soll der Plan für die Bäderbetriebe im Senat genehmigt werden. Zu Details will sich das Unternehmen allerdings nicht äußern. Beim Besuch von SPD-Fraktionschef Raed Saleh wird allerdings deutlich, dass die Pläne offenbar einigen Konfliktstoff bergen. »Eine Ausgliederung des Personals, wie es die Bäderbetriebe erwogen haben, lehnt die SPD-Fraktion ab«, sagt Saleh. In Zeiten der Rekommunalisierung wäre es komisch, bei den öffentlichen Bäderbetrieben zeitgleich zu privatisieren. Zumindest finanziell will die SPD im nächsten Doppelhaushalt nachlegen, stellt Saleh in Aussicht.

Einen offenen Streit will der Bäderchef an diesem Vormittag nicht riskieren. Er sagt: »Es ist Aufgabe der Berliner Bäder Betriebe, die Ansichten der Politik umzusetzen.« Doch zugleich werden auch die finanziellen Probleme deutlich, mit denen das Landesunternehmen zu kämpfen hat. Denn durch die Eröffnung von drei sanierten Bädern (Kombibad Gropiusstadt, Schwimmhalle Finckensteinallee und Kombibad Spandau-Süd) hat das Unternehmen drei Millionen Euro zusätzliche Betriebskosten im Jahr. »Wir sind an der Grenze der Liquidität«, betont Hensing. Aus seiner Sicht mache es nämlich keinen Sinn, Bäder zu sanieren und sie dann geschlossen zu halten.

Im Klartext heißt das: Es werden zwar keine Schwimmbäder geschlossen, weil das mit der Politik, vor allem der SPD, nicht zu machen ist, aber das Personal wird weiter umgeschichtet. In einigen Bädern dürften sich die Öffnungszeiten deshalb weiter verschlechtern, was sich wiederum auf die Besucherzahlen auswirken könnte. Bereits jetzt kommen nur noch 6,7 Millionen Besucher pro Jahr, vor zwölf Jahren waren es noch 10,8 Millionen. Um das zu ändern, wurde Ole Bested Hensing, der zuvor das Spaßressort Tropical Islands leitete, vor einem Jahr von Sportsenator Frank Henkel (CDU) geholt. In Pankow sieht Hensing im Übrigen einen Standort für eines der neuen 20- bis 40-Millionen-Euro teuren Kombibäder. Platz gibt es genug, der Bedarf wäre da. Hoffentlich beginnen die Bäderbetriebe endlich, die Potenziale zu heben.

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