Bluttat in Brüssel: Täter und Motiv gesucht

Für Israels Regierungschef sind die Toten das »Ergebnis einer permanenten Hetze gegen Juden und ihren Staat«

  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Angriff auf das Jüdische Museum in Brüssel am Samstag verfolgt die Polizei einen Mann - offenbar ein Einzeltäter. Die Bevölkerung soll mithelfen. Die Hintergründe der Tat bleiben unklar.

Brüssel. Nach den tödlichen Schüssen im Jüdischen Museum in Brüssel hat die belgische Polizei unter Hochdruck nach dem mutmaßlichen Täter gefahndet. Die Staatsanwaltschaft rief am Sonntag die Bevölkerung zur Zusammenarbeit mit den Behörden auf. Ein Phantombild des Attentäters, der drei Menschen umbrachte, sollte später veröffentlicht werden. Der Anschlag löste international Bestürzung aus.

Der Täter habe »wahrscheinlich allein« gehandelt und sei »gut vorbereitet« gewesen, sagte Vizestaatsanwältin Ine Van Wymersch. Bislang bekannte sich niemand zu der Tat. Die Polizei wertete Videos aus Überwachungskameras aus.

Museum und jüdische Gemeinschaft

Das Jüdische Museum ist ein fester Bestandteil des Brüsseler Kulturlebens. In dem 2005 eröffneten Haus in der Innenstadt gibt es regelmäßig Kunstausstellungen. Das Museum besitzt eine bedeutende Sammlung mit Objekten der jüdischen Geschichte.

Die jüdische Gemeinschaft in Belgien umfasst etwa 30 000 bis 40 000 Menschen. Es gibt nur Schätzungen, da belgische Behörden keine Konfessionen registrieren.

Die meisten jüdischen Organisationen gibt es in der Hauptstadt Brüssel und in der Hafenmetropole Antwerpen. Die Gemeinschaft in Antwerpen gilt als traditionell, es wird dort auch noch Jiddisch gesprochen. dpa/nd

 

Van Wymersch bestätigte, dass es sich bei den Toten um ein israelisches Touristenpaar und eine Französin handelt. Die Französin habe nach Angaben des Museums ehrenamtlich in dem Haus gearbeitet. Ein viertes Opfer, ein Mitarbeiter am Museumsempfang, der durch Schüsse lebensgefährlich verletzt wurde, sei Belgier.

Angaben des israelischen Außenministeriums zufolge stammen die getöteten Israelis aus Tel Aviv; es handele sich um einen 54-jährigen Mann und eine 53-jährige Frau. Nach Auffassung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist die Tat auf eine antisemitische Stimmung in Europa zurückzuführen.

»Diese mörderische Tat ist das Ergebnis einer permanenten Hetze gegen Juden und ihren Staat«, erklärte Netanjahu am Samstag in Jerusalem. In Europa würden »Verunglimpfungen und Lügen« gegen den Staat Israel verbreitet, während »Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mordtaten, die in unserer Region begangen werden, systematisch ignoriert werden«, sagte der Regierungschef.

In einem Telefonat mit dem belgischen Ministerpräsidenten Elio Di Rupo habe Netanjahu Israels Hilfe bei den Ermittlungen angeboten, erklärte Netanjahus Büro. Israels Präsident Schimon Peres forderte die europäischen Regierungen in einer Erklärung auf, »gegen alle Formen des Antisemitismus (...) vorzugehen«. Das Wiesenthal-Zentrum rief Europa zum verstärkten Kampf gegen Antisemitismus und anti-israelische Haltungen auf. »Alle europäischen Staatsmänner sollten Maßnahmen ergreifen, extremen anti-israelischen und anti-jüdischen Tendenzen entgegenzuwirken«, sagte der Rabbiner Abraham Cooper, stellvertretender Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Los Angeles, am Sonntag. Seine Organisation verurteile »den mörderischen Terroranschlag« im Jüdischen Museum in Brüssel auf das Schärfste, so Cooper.

Vizestaatsanwältin Van Wymersch betonte dagegen, sie könne bislang »nicht bestätigen, dass es eine terroristische oder antisemitische Tat« sei. Es werde weiter in alle Richtungen ermittelt. Auch Innenministerin Joëlle Milquet hatte sich kurz am Samstagabend zurückhaltend zur möglichen Motivlage geäußert, zugleich aber darauf verwiesen, dass der Tatort »nicht unerheblich« sei.

Die Schüsse fielen am Samstagnachmittag im Zentrum von Brüssel. Ein Mann habe das Museum betreten und »ziemlich schnell wahllos das Feuer eröffnet«, erklärte Milquet. Augenzeugen sahen den mutmaßlichen Täter fliehen. Weitere Augenzeugen berichteten von einem möglichen Komplizen mit einem Fahrzeug.

Eine am Samstagabend zunächst als verdächtig festgenommene »Person« wurde später als Zeuge befragt und freigelassen. Laut Polizei war sie am Tatort, hatte aber nach eigenen Aussagen nichts mit der Attacke zu tun. Die Ermittlungen konzentrieren sich nun auf einen Mann, der nach der Schießerei zu Fuß flüchtete.

Ministerpräsident Di Rupo äußerte sich »sehr schockiert« über die Gewalttat. Am Sonntag sagte er: »In Belgien sind wir solche Akte der Barbarei nicht gewohnt.«

Die Belgische Liga gegen den Antisemitismus verurteilte die Tat als Akt des »Terrorismus« und »Ergebnis eines Klimas, das Hass verbreitet«.

Unterdessen sind bei einem Angriff in unmittelbarer Nähe einer Synagoge am Samstagabend in Créteil im Südosten von Paris zwei junge Juden verletzt worden. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve verurteilte die Tat am Sonntag in einer Mitteilung scharf. Die zwei Täter flüchteten zu Fuß und mit einem Fahrrad. Agenturen/nd

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