UNO: Mehr als 420 Tote im Ukraine-Konflikt
Sowohl Soldaten als auch Zivilisten unter den Opfern / Poroschenko will sich trotz Hubschrauberabschuss um politische Lösung bemühen / Putin verurteilt Abschuss und plädiert für Verlängerung der Waffenruhe
Berlin. Im Ukraine-Konflikt sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen seit Mitte April mindestens 423 Menschen getötet worden. Diese Opferzahl nannte der Untergeneralsekretär für Menschenrechte, Ivan Simonovic, am Dienstag im Sicherheitsrat in New York. Er bezog sich dabei auf Informationen durch offizielle Quellen. Bei den zwischen dem 15. April und dem 20. Juni Getöteten handelt es sich demnach sowohl um Soldaten als auch um Zivilisten. Nach Angaben von Simonovic hat sich die Situation in der Ukraine zuletzt verschlechtert. Er begründete dies unter anderem mit einer Zunahme an Waffen im Konfliktgebiet sowie der weiteren Rekrutierung von Kämpfern. So nähmen Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen ebenso zu, wie die allgemeine Kriminalität.
Derweil hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat versichert, sich auch weiter um eine politische Lösung der schweren Krise zu bemühen. Vorrang habe sein Friedensplan, der auch eine noch bis Freitag andauernde Waffenruhe beinhalte, sagte Poroschenko einer Mitteilung zufolge, die das Präsidialamt in Kiew am Mittwoch veröffentlichte. Der Friedensprozess wird schwer belastet vom Abschuss eines Militärhubschraubers durch als prorussisch bezeichnete Separatisten am Dienstag, bei dem neun Soldaten ums Leben kamen. Poroschenko hatte den Aufständischen deshalb am Dienstagabend mit einem Abbruch der Feuerpause gedroht.
Kremlchef Wladimir Putin verurteilte bei einem Besuch in Wien den Abschuss und sprach sich für eine Verlängerung der Waffenruhe aus. Die Pause solle für Verhandlungen genutzt werden. Zugleich warnte er vor Gewalt gegen russische Bürger. Er habe zwar beim Parlament in Moskau beantragt, die Erlaubnis für einen Militäreinsatz im Nachbarland außer Kraft zu setzen, sagte Putin. Das bedeute aber nicht, dass Russland die Lage in der Ukraine künftig egal sei. Zuvor hatte Putin ein Signal zur Deeskalation gesandt. Er forderte den Föderationsrat auf, eine auf dem Höhepunkt der Krim-Krise erteilte Erlaubnis zum möglichen Einmarsch im Nachbarland aufzuheben. Das Oberhaus des russischen Parlaments will darüber noch am Mittwoch entscheiden. Eine Zustimmung gilt als sicher.
Die Waffenruhe ist von Anbeginn an brüchig. Beide Seiten warfen sich am Dienstag erneut vor, diese nicht einzuhalten. Ein Armeesprecher sagte, bei weiteren Angriffen seien zwei Soldaten getötet worden. Der Anführer der Aufständischen in der Ostukraine, Alexander Borodaj, sagte: »Heute war ein normaler Kriegstag, das Militär hat uns aus Artillerie, Panzern und Granatwerfern beschossen.« Außenminister Frank-Walter Steinmeier regte derweil bei einem Besuch in Kiew an, die Waffenruhe durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwachen zu lassen. Diese wollte auch russische Beobachter an der Aktion beteiligen. »Das sind historische, vielleicht entscheidende Tage für die Ukraine«, sagte Steinmeier. nd/Agenturen
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