SPD: Durchbruch beim Mindestlohn

Scharfe Kritik von Gewerkschaften und Opposition an neuen Ausnahmen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenige Tage vor der geplanten Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie im Bundestags lagen SPD und Gewerkschaften im Clinch.

Zum 1. Januar 2017 kommt der Mindestlohn ohne Ausnahmen. Das bekräftigte die SPD am Montag, nachdem die am Freitag von den schwarz-roten Koalition vereinbarten neuen Ausnahmeregelungen für Praktikanten, SaisonarbeiterInnen und ZeitungszustellerInnen für scharfe Kritik von den Gewerkschaften gesorgt hatten.

Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi wies am Montag den Vorwurf von ver.di-Chef Frank Bsirske, die SPD betreibe »grobe Wählertäuschung«, als »völlig überzogen« zurück. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft sei »an der Stelle nicht rundum informiert beziehungsweise in Teilen fehlinformiert gewesen«, sagte sie laut dpa.

Dass der Mindestlohn mit Kost und Logis für Saisonarbeitskräfte verrechnet werden soll, berge die Gefahr, dass Unternehmer auch in anderen Branchen den Mindestlohn umgehen, sagte ver.di-Sprecher, Christoph Schmitz gegenüber »nd«. Saisonarbeitskräfte gebe es nicht nur in der Landwirtschaft, sondern beispielsweise auch im Hotel- und Gaststättengewerbe. »Wenn es Ausnahmen gibt, dann werden die auch genutzt«, so Schmitz weiter. Er sprach von »Last-Minute-Änderungen, die bewusst schwammig gehalten worden sind«, und stellte weitere Aktionen von ver.di bis zum Freitag in Aussicht. Dann soll der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, das den Mindestlohn enthält, verabschieden.

Kritik an den neuen Ausnahmen kam auch von der Opposition. Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, sagte laut Mitteilung: »Die Kompensationsgeschäfte mit einzelnen Branchen führen zu einer Ungleichbehandlung bis hin zur Verfassungswidrigkeit.« Ausnahmen erschwerten zudem die Kontrolle des Mindestlohns.

»Kein weiteres europäisches Land hat vergleichbare Ausnahmen für die Anwendung des gesetzlichen Mindestlohns wie sie nun in Deutschland geplant sind«, sagte der arbeitsmarkt- und gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Henning Foerster. Für die LINKE sind die Ausnahmen für Jugendliche, Praktikanten und Langzeitarbeitslose nicht mit Grundgesetz und Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Die Würde der Arbeit sei nicht teilbar, darum dürfe es keinerlei Ausnahmen vom Mindestlohn geben.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach am frühen Montagabend in Berlin von einem »Durchbuch« beim Mindestlohn. Der Weg sei nun frei für das Mindestlohnpaket der Koalition. Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, sagte laut dpa: »Wir werden ab 2017 einen sehr robusten Mindestlohn in Deutschland haben«, der dann auch für Zeitungszusteller und Saisonarbeitskräfte gelte. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Klaus Barthel, kritisierte gegenüber »Handelsblatt Online«, es gehe »einigen in der Union« nicht um die sachgerechte Umsetzung des Koalitionsvertrages, sondern »um die systematische Durchlöcherung des Mindestlohnes«.

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