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Auf Skepsis folgt das Misstrauen
Robert D. Meyer über die Zweifel der Bevölkerung an Rot-Schwarz
Laut einer repräsentativen Umfrage glauben 48 Prozent der Berliner, dass bei der Vergabe des hauptstädtischen Gasnetzes an die landeseigene Berlin Energie nicht alles mir rechten Dingen zugegangen sein könnte. Damit würde knapp die Hälfte der Bevölkerung die Skepsis der CDU teilen, die den Rekommunalisierungsweg der SPD aber auch ohne konkreten Anlass zum Argwohn am Vergabeverfahren allein aus ideologischen Gründen wenig abgewinnen kann. Gerichtsfest bewiesen ist in der Frage nichts. Für die Deutung des Umfrageergebnisses taugt die juristische Auseinandersetzung ohnehin nur sehr bedingt.
Viel mehr handelt es sich um einen weiteren Beleg dafür, wie viele Berliner dem amtierenden Senat inzwischen misstrauen. Transparenz, offene Kommunikation und Mitspracherecht der Bürger waren bei den Berliner Großprojekten der letzten Jahre nicht unbedingt die großen Hauptanliegen von Rot-Schwarz.
Wer einmal Mist baut, dem glaubt das Volk nicht mehr, ließe sich eine alte, etwas abgewandelte Binsenweisheit auf den Senat anwenden. Im Fall von SPD und CDU müsste ergänzend sogar von einer langen Liste gesprochen werden. Stellvertretend sollen einige Stichworte genügen: BER, Stadtschloss, Wasser, Tempelhofer Feld. Beim letzteren Thema hat die Bevölkerung dem Senat mittels Volksentscheid rechtzeitig Einhalt geboten - auch weil sie Rot-Schwarz schlicht keine Großprojekte, die das Leben in der Stadt dauerhaft verändern, mehr zutraut. Im Fall des Gasnetzes ist fast umgekehrt: Hier trauen die Berliner dem Senat sogar Mauscheleien zu.
Einem mehrheitlich nur noch Skepsis entgegenschlagenden Senat hat auf Dauer ein akutes Rechtfertigungsproblem. Für Rot-Schwarz ist dies die derzeit mögliche politische Höchststrafe.
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