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Extremistenjäger und neoliberale Nörgler

In der Jungen Union kandidieren zwei Bewerber um die Nachfolge von Philipp Mißfelder / Einen eindeutigen Favoriten gibt es nicht

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Junge Union streitet, ob sie sich kritischer mit der Politik ihrer Mutterpartei auseinandersetzen sollte. Teile der Organisation sind unzufrieden mit der Großen Koalition.

Die Junge Union (JU) galt bisher ebenso wie ihre Mutterparteien CDU und CSU als obrigkeitshörig und wenig demokratisch. Dass mehrere Bewerber für ein Spitzenamt kandidieren, wurde auf Parteitagen in der Regel vermieden. Und wer einmal bei den Konservativen am Ruder ist, bleibt es dann auch für eine ziemlich lange Zeit. Doch nun ist in der JU auf einmal alles anders. Um die Nachfolge des langjährigen Vorsitzenden Philipp Mißfelder ist ein Konflikt ausgebrochen. Der Bundestagsabgeordnete wird aus Altersgründen Mitte September nicht wieder antreten.

Dann wird auf einer Veranstaltung im bayerischen Inzell, die von der national gesinnten Nachwuchsorganisation »Deutschlandtag« genannt wird, ein neuer Vorstand gewählt. Für den Vorsitz bewerben sich der nordrhein-westfälische JU-Chef Paul Ziemiak und JU-Bundesvize Benedict Pöttering aus Niedersachsen. Mit der Wahl ihres neuen Chefs wird die JU auch entscheiden, wie sich ihre Führung künftig zur Politik der Großen Koalition positionieren wird.

Ziemiak schwebt eine Organisation vor, die den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel fortwährend bejubelt. Politische Gegner sieht er allein außerhalb der eigenen Partei. Der Student der Unternehmenskommunikation veröffentlichte im Juni anlässlich des Verfassungsschutzberichtes eine bizarre Pressemitteilung, in der er vor »linksradikaler Gewalt« warnte. Dass in seinem Bundesland, etwa im Ruhrgebiet, Hochburgen der Neonazis entstanden sind, erwähnte Ziemiak nicht mit einem Wort.

Pöttering will die JU ebenfalls deutlich rechts positionieren, allerdings soll sie sich auch öfter als bisher gegen die Mutterpartei stellen. Ziemiak habe »erklärt, dass es nicht seine Aufgabe sei, die CDU zu kritisieren«, sagte der Betriebswirt nun in einem Interview mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Davon habe er »ein gänzlich anderes Verständnis«.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass Pöttering mit Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer sympathisiert. Der CSU-Chef hatte vor kurzem Sorgen darüber geäußert, dass viele Unternehmensvertreter »schwarz gewählt«, aber nun den Eindruck hätten, »rot regiert« zu werden. Diese Kritik teilt auch Pöttering. Er wetterte in den vergangenen Wochen gegen die abschlagsfreie Rente mit 63 und den Mindestlohn. Letzterer werde »unsere Spitzenposition in Europa bedrohen«, mutmaßte Pöttering.

In der JU gilt es als offen, wer die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Ziemiak macht schon seit mehr als einem halben Jahr intern Wahlkampf für sich. Neben seinem eigenen NRW-Landesverband - der größte in der JU - unterstützen ihn auch Hamburg, Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hessen. Pöttering hingegen bewarb sich erst im Mai. In einer E-Mail informierte er die rund 117 000 JU-Mitglieder über sein Vorhaben. Fürsprecher hat er im bayerischen Landesverband, ebenso in Rheinland-Pfalz und einigen ostdeutschen Ländern.

Für die JU dürfte es strategisch von Vorteil sein, wenn sie Pöttering wählen würde. Denn mit dem Sohn des früheren Präsidenten des Europaparlaments und heutigen Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, würde die Jugendorganisation für das von der Union zuletzt etwas vernachlässigte Spektrum der neoliberalen Hardliner interessant bleiben.

Auch in anderen Parteien ist es Normalität, dass Jugendorganisationen die Politik der Mutterpartei kritisch begleiten. So stehen Jusos und Grüne Jugend links von den Führungen der SPD und der Grünen. Das gilt für die Jungpolitiker zumeist aber nur so lange, bis sie in der Parteihierarchie aufsteigen. Beispielhaft hierfür ist etwa die Karriere von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Für Pöttering könnte sie ein Vorbild sein.

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