Wagner-Festspiele starten in Bayreuth

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Am heutigen Freitag beginnen die Richard Wagner Festspiele in Bayreuth. Wie jedes Jahr am 25. Juli. Die oberste Wagnerianerin im Lande, Angela Merkel, wird diesmal beim Eröffnungsparcours den echten und vermeintlichen Promis das Feld überlassen. Sie kommt später, heißt es. Im letzten Jahr hatte sie den neuen »Ring« nur bis zum »Siegfried« absolviert. Fehlt noch die »Götterdämmerung«.

Die Festspiele eröffnen mit Sebastian Baumgartens eigenwilligem Biogasanlangen-»Tannhäuser«. Der ist vor allem wegen der eigenständigen Übermacht des Bühnenbildes im Grunde gescheitert und wird daher in diesem Jahr (vorfristig) zum letzten Mal gezeigt. Die andere Regie-Eigenwilligkeit, der »Lohengrin«, bei dem Hans Neuenfels aus den Brabantern possierliche, aber auch abgründig wandelbare Ratten machte, hat mittlerweile einen Kultstatus erlangt, den sich wohl jeder Regisseur hier in Bayreuth wünscht. Bei Jan Philipp Glogers »Fliegendem Holländer« (Foto: Ricarda Merbeth als Senta) bleibt hingegen der Skandal um die Hakenkreuz-Tätowierung des ursprünglich vorgesehen russischen Holländer-Sängers mehr in Erinnerung als die Substanz einer eher mittelprächtigen Inszenierung.

Doch in diesem Jahr wird ohnehin der neue »Ring« noch einmal im Mittelpunkt des Interesses stehen. Der hatte im letzten Jahr die Gemüter erhitzt und das Publikum und die Kritiker gespalten wie lange nicht. Auf der Pro-Seite wurde er für seinen dialektischen Witz gefeiert, auf der Kontra-Seite dagegen als vordergründiges Stückwerk denunziert.

Frank Castorf, der die beiden Wagner-Schwestern an der Spitze der Festspiele (von denen die eine, Eva Wagner-Pasquier aus dem aktiven Leitungsamt ausscheidet, aber als Beraterin und qua Abstammung wohl nach wie vor mitwirkt) mit seiner in buchstäblich letzter Sekunde zugesagten »Ring«-Regie vor einer Jahrhundertblamage bewahrte, zelebrierte am Ende mit sichtlichem Genuss ein Bravo- und Buh-Happening, wie es auf dem Grünen Hügel in den letzten Jahren allenfalls Christoph Schlingensief mit seinem »Parsifal« vom Zaun gebrochen hatte. In einem unterscheidet sich der auf Opernpfaden wandelnde Volksbühnenchef allerdings vom obsessiven Sponti Schlingensief: der hatte nämlich im Umfeld seiner Wagner-Annäherung eine wahre Interviewoffensive gestartet und war (fast) jederzeit zu Erläuterungen bereit.

In der Beziehung übt sich Castorf in (gar nicht vornehmer, sondern wohl doch eher arroganter) Zurückhaltung. Und wenn er was sagt, dann via des sonst ja nicht gerade als Kultur-Leitmedium profilierten »Spiegel« und in dessen Stil. Als Rüpelei. Er fühle sich von der Festspielleitung wie ein Idiot behandelt, heißt es da, weil man den Alberich Sänger Martin Winkler im Rheingold umbesetzt habe, ohne den Regisseur zu fragen (was natürlich wirklich nicht so ganz in Ordnung ist).

Aber wenn nicht alles täuscht, dann ist die eigentliche Personenführungsschwachstelle im ganzen »Ring« der Siegmund und heißt Johan Botha. Die Festspielleitung wolle, so wird Castorf zitiert, überhaupt die Wiederaufnahme seines »Rings« torpedieren. Und wenn er dann nachlegt, dass »hier Angst, Vorsicht, und vorauseilender Gehorsam« herrsche, dann klingt das eher wie eine verbale Geisterbeschwörung von Wolfgang Wagners polternder Ruppigkeit. Es ist einfach schwer vorstellbar (und eher amüsant), dass ein gestandener Berliner Theaterleiter und eine mitteleuropäische Regieikone wie Castorf Angst vor der gerade verlängerten und künftig allein regierenden Hügelchefin Katharina Wagner haben sollte.

Selbst wenn es da Differenzen gibt, die Festspielleitung müsste schon selbst vom Götterdämmerungsvirus befallen und nicht bei Troste sein, wenn sie die vierteilige zentrale Produktion des aktuellen Jahrgangs ausbremsen würde. Vielleicht ist die Sache aber auch viel simpler und der Meister hat einfach nichts zu sagen. Denn dieser »Ring« lebt vor allem vom genialen Dirigat Kirill Petrenkos im verdeckten Graben und auf der Bühne von den grandiosen Bühnenräumen, mit denen Aleksandar Denić die »Ring«-Dialektik auf den - optischen - Punkt gebracht hat. Und darauf kann man sich freuen. Wie gespielt wird, ist da fast schon zweitrangig.

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