Hohe Haftstrafen für linke Putin-Gegner

Verurteilter Linksfront-Führer Sergej Udalzow trat aus Protest in den Hungerstreik

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Aus Protest gegen seine Verurteilung zu viereinhalb Jahren Lagerhaft ist der russische Oppositionelle Sergej Udalzow am Freitag in den Hungerstreik getreten. Er wird seither medizinisch überwacht.

Als »ungesetzlich und unbegründet« kritisierte die Verteidigung das Urteil, das am Donnerstagabend gegen Sergej Udalzow und Leonid Raswosshajew erging. Beide kassierten wegen Anstiftung zu Massenunruhen viereinhalb Jahre Haft. Die Anklage hatte sogar jeweils acht Jahre beantragt.

Udalzow und Razwosshajew gehörten zu den Führern des linken Flügels der Protestbewegung, die sich nach den Parlamentswahlen Ende 2011 organisiert hatte. Zeitweilig gingen vor allem in Moskau Zigtausende auf die Straße. Die letzte größere Aktion fand Anfang Mai 2012 statt - am Vorabend der Vereidigung Wladimir Putin für eine dritte Amtszeit als Präsident. Dabei kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Ordnungskräften und Protestlern. Gegen die angeblichen Rädelsführer wurde ein Verfahren eingeleitet. Die ihnen vorgeworfenen Vergehen - zunächst wurde auch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ermittelt - sparte die Amnestie, die die Staatsduma im vergangenen Herbst aus Anlass des 20. Jahrestages des Inkrafttretens der russischen Verfassung beschloss, ausdrücklich aus.

Für schuldig erklärte Richter Alexander Samaschnjuk die Angeklagten bereits zu Beginn der Urteilsverkündung, für die er mehrere Stunden brauchte. Das Strafmaß verkündete er erst am Schluss.

Udalzow, der trotz chronischer Erkrankungen aus Protest in den Hungerstreik trat, und Raswosshajew, der zudem behauptet, er sei in Kiew, wo er 2013 Asyl beantragen wollte, vom russischen Geheimdienst entführt und verschleppt worden, haben daher beste Chancen, von internationalen Organisationen zu politischen Häftlingen erklärt zu werden. Auch ihr Fall wird wohl in letzter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt werden. Russland unterliegt dort oft, muss Entschädigungen zahlen und sich von der internationalen Öffentlichkeit Vorwürfe wegen Demokratiedefiziten und Menschenrechtsverletzungen gefallen lassen.

Zwar hatten bewaffnete Polizisten das Gerichtsgebäude lange vor Beginn der Urteilsverkündung abgeriegelt. Auch im Saal waren Ordnungshüter mit Kalaschnikows präsent. Doch anders als beim Verfahren gegen die Pussy-Riot-Punkerinnen kamen Donnerstag nur ein paar Dutzend Sympathisanten, vor allem Linke, um Udalzow und Raswosshajew moralisch beizustehen. Seit der Ukrainekrise haben Opposition und Zivilgesellschaft in Russland ausgesprochen schlechte Karten. Bei Umfragen Ende Juni erklärte sie weit über die Hälfte für überflüssig, ein Drittel sprach sich sogar für noch härtere Bandagen gegen die »Volksfeinde« aus.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal