Rüstungsgeschäft: Moskau kündigt Klage an

Russisches Verteidigungsministerium: Gabriels Entscheidung beeinflusst Zeitplan des Projekts nicht / Kritik von Linken-Politiker van Aken: Wirtschaftsminister handelt »halbherzig und verlogen«

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Nach dem Stopp eines deutsch-russischen Rüstungsgeschäfts durch die Bundesregierung hat Russland Klage angekündigt. Moskau wolle wegen Vertragsverletzung vor Gericht ziehen, sagte Vize-Verteidigungsminister Juri Borissow am Montag der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Angesichts der Ukraine-Krise hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein millionenschweres Rüstungsgeschäft gestoppt. Dabei geht es um die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums (GÜZ) durch die Düsseldorfer Firma Rheinmetall. Das Geschäft hat nach Medienberichten ein Volumen von rund 100 Millionen Euro. Borissow betonte am Montag, der Stopp beeinflusse den Zeitplan des Projekts nicht. Es solle wie geplant im September abgeschlossen sein. Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es, der Beitrag von Rheinmetall habe ohnehin nur bei zehn Prozent gelegen, »und unsere Industrie kann das ausgleichen«.

Das Gefechtsübungszentrum, das in der Stadt Mulino in der Wolga-Region erbaut werden soll, ist zur Ausbildung von Soldaten mit technisch hochentwickelten Simulationsinstrumenten vorgesehen. Pro Jahr sollen bis zu 30.000 Soldaten in der Anlage ausgebildet werden können. Gabriel hatte das Geschäft bereits im März wegen der Krim-Krise vorläufig auf Eis gelegt. »Ich riskiere durch die Auslieferung eines Gefechtszentrums an Russland, dass die militärische Expansion, dass die militärischen Auseinandersetzungen größer werden«, sagte Gabriel am Montag bei einem Unternehmensbesuch im brandenburgischen Wildau. »Das kann ich nicht verantworten«, fügte der Minister hinzu. »Es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben.«

Gabriel sagte am Montag, das Unternehmen habe die Regierung gebeten, für eine »rechtssichere Position« zu sorgen. »Daher haben wir formal die Ausfuhrgenehmigung widerrufen«, sagte Gabriel weiter. Die Entscheidung sei mit dem Kanzleramt abgestimmt worden.

Der Abrüstungsexperte der Linksfraktion, Jan van Aken, nannte Gabriel derweil »eher Mr. Heiße Luft als Mr. Peace«. Seit Jahresbeginn würde der SPD-Wirtschaftsminister »ganz groß im Ankündigen« sein, tatsächlich habe Gabriel »bislang nur ganz wenig umgesetzt«. Van Aken verwies dazu unter anderem auf das Gefechtsübungszentrum. »Das Zentrum ist schon so gut wie fertig gebaut, das stoppt er jetzt. Aber andere Waffenlieferungen nach Russland gehen munter weiter«, der Linken-Abgeordnete sagte, dies sei »halbherzig und verlogen«.

Seiner Auffassung nach sollten nach Russland oder in die Ukraine überhaupt keine Waffen mehr geliefert werden. »Rüstungsexporte sind heute leider selbstverständlicher Teil deutscher Außenpolitik. Das muss sich ändern«, sagte van Aken in einem Interview. Anstatt Exporte als politisches Druckmittel auszusetzen, sollten sie ohne Ausnahme gestoppt werden. Der Linken-Politiker forderte Gabriel zudem auf, ein Exportverbot für Kleinwaffen durchzusetzen. Diese seien »ökonomisch gesehen total irrelevant, aber verantwortlich für die meisten Toten in den bewaffneten Konflikten dieser Welt«.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger. Er forderte von der Bundesregierung ein allgemeines Waffenembargo für Krisenregionen. Gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung« sagte Riexinger, Gabriels »Stoppzeichen ist richtig. Aber es darf keine Ausnahme sein.« Deutsche Waffenlieferungen in Länder, die in militärische Auseinandersetzungen verwickelt seien, müssten »sofort eingestellt werden«, verlangte er. Dies gelte auch für die Ukraine, so Riexinger.

Die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz sagte, »anders als Minister Gabriel behauptet, entschärft diese Maßnahme nicht den Konflikt in der Ostukraine, da sie Teil einer einseitigen Intervention zugunsten der Zentralregierung in Kiew ist«. Die Politikerin forderte, auch die militärischen Unterstützungsleistungen an die Ukraine zu stoppen. »Es ist leider nicht zu erkennen, dass unter Wirtschaftsminister Gabriel Waffenexporte restriktiver gehandhabt werden als bei der Vorgängerregierung. Die Rüstungsexporte an Länder wie Saudi-Arabien oder Algerien gehen weiter«, so Buchholz.

Der Bundestag muss Waffenexporte nach Überzeugung des kurhessischen Bischofs Martin Hein strenger überwachen. »Wir sind als Deutsche drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt, und ich glaube, dass es so auf Dauer nicht gelingt, Frieden zu schaffen«, sagte er nach Angaben der Landeskirche vom Montag. So seien die derzeit diskutierten Lieferungen nach Algerien »nicht zumutbar«. Nach Heins Worten verhindert die starke Rüstungslobby in der Bundesrepublik die notwendige Debatte über Waffenexporte. Agenturen/nd

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