Spannungen am Dnjestr wachsen

Bedrohungsszenarien werden in Russland, der Ukraine und der Republik Moldau entworfen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bürgerkrieg im Osten der Ukraine ruft auch auf beiden Seiten ihrer westlichen Grenze Interventionsängste hervor.

Tiefsten Frieden atmet die Flusslandschaft mit den lichten Auenwäldern. Nur die Maschinengewehrnester, eher schlecht als recht mit Weidengestrüpp getarnt, stören die Idylle. Und seit Ende Juli auch die Bagger: Die Ukraine hebt einen 3,5 Meter breiten und drei Meter tiefen Graben entlang der 450 Kilometer langen Grenze zur »Moldauischen Dnjestr-Republik« (Transnistrien) aus.

Der Konflikt um die überwiegend von Russen und Ukrainern besiedelte Region am östlichen Dnjestr-Ufer, die sich 1992 von der mehrheitlich romanischsprachigen Republik Moldau abspaltete, als die sich Rumänien anzuschließen drohte, zählt zu den »eingefrorenen«. Seit dem Beitritt der Krim zu Russland im März beginnt er jedoch aufzutauen. Kiew fürchtet, Moskau könnte die gesamte Südostukraine besetzen, um die Versorgung der Schwarzmeerhalbinsel zu erleichtern und einen Korridor zu den Brüdern in der Dnjestr-Republik zu schlagen, die keine gemeinsame Grenze mit Russland hat, sondern von der Republik Moldau und der Ukraine umschlossen wird. Kurz nach dem Referendum auf der Krim hatte auch die Dnjestr-Republik um Aufnahme in die Russische Föderation nachgesucht und sich dabei auf Ergebnisse eines Referendums 2006 berufen.

Schon im April verfügte daher die Regierung in Kiew ein Einreiseverbot für männliche Bewohner der von keinem anderen Staat anerkannten Dnjestr-Republik. Inzwischen lässt die Ukraine auch keine Güter mehr passieren, die dort für Russland produziert werden. Und zusammen mit den Baggern für den Grenzwall rückten ukrainische Truppen ins Grenzgebiet ein. Nachdem die Ukraine und die Republik Moldau Ende Juni Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet haben, erörterte der Senat der USA Möglichkeiten, die Ukraine, Georgien und Moldau zu einem Militärbündnis ohne NATO-Mitgliedschaft zu vereinen, schrieb die Moskauer »Nesawissimaja Gaseta« Mitte Juli. Wichtigste Aufgabe der potenziellen Partner sei es, die Republik Moldau bei der Eroberung des östlichen Dnjestr-Ufers zu unterstützen, Washington würde mit Waffen und Logistik helfen.

Bauern wollen bereits Scharfschützen und Panzerfahrzeuge auf ukrainischer Seite gesichtet haben. Und Jewgeni Schewtschuk, gewählter Präsident Transnistriens, warnte im russischen Fernsehen, die Vorbereitungen für eine ukrainische Intervention liefen »auf Hochtouren«. Dann indes droht, was in der Ostukraine bisher vermieden wurde: Krieg zweier früherer Bruderrepubliken - wie der um Südossetien im Jahre 2008. Moskau sah sich damals auch deshalb zum Eingreifen genötigt, weil 80 Prozent der Südosseten einen russischen Pass besaßen, ähnlich wie in der Dnjestr-Republik. Und zu deren Schutz stehen russische Truppen mit Mandat der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS bereit. Ihrer Mission hatten 1992 sowohl die Moldau als auch die Ukraine zugestimmt. Die vertraglich vereinbarte Versorgung dieser Militärs hat Kiew schon eingestellt. Nach russischen Medienberichten will die Ukraine auch den Stationierungsvertrag selbst kündigen. In einst sowjetischen Depots auf dem Gebiet Transnistriens sollen jedoch über 21 000 Tonnen Patronen, Granaten und Raketen lagern.

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