Details sind noch nicht festgelegt

SPD-Fraktion verkündet für das nächste Jahr die Bezahlung einer Pflege-Auszeit für Angehörige

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion kündigt kurz nach der Verabschiedung der ersten Stufe einer Pflegereform eine weitere Gesetzesinitiative an.

Wer infolge einer Verletzung oder eines Unfalls seinen Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen kann, braucht Hilfe und Helfende. Menschen, die diese Aufgabe übernehmen, benötigen wiederum Zeit, um sich im Dschungel der bestehenden Gesetze, Angebote und Beratungsmöglichkeiten zurecht zu finden.

Das ist keine neue Erkenntnis, denn schon bei einer der letzten Änderungen der Pflegegesetze im Jahr 2008 wurde eine gesetzlich geregelte Pflegezeit eingeführt. Sie gilt einmal für zehn Tage pro Pflegefall und kann von nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden. Schon damals gab es die Forderung, diese Auszeit auch zu bezahlen, aber sie konnte nicht durchgesetzt werden. Umso erfreulicher daher die Mitteilung aus den Reihen der SPD vom vergangenen Wochenende, die Große Koalition erwäge einen Rechtsanspruch auf unbezahlte Freistellung, wenn Angehörige im Sterben liegen oder zu einem Pflegefall würden. »Gute Arbeitgeber gewähren schon heute eine Auszeit, aber das ist längst nicht überall der Fall«, hatte SPD-Fraktionsvize Carola Reimann der »Berliner Zeitung« vom Wochenende gesagt. Es gebe in der Koalition die Vereinbarung, noch in dieser Wahlperiode zu einer Lösung zu kommen, Details seien bisher aber noch nicht festgelegt.

Darüber hinaus sollten Reimann zufolge die Leistungen für Pflegende stärker ausgeweitet werden als bisher von der großen Koalition geplant. So sollten nicht nur Ehepartner oder Kinder die vorgesehene bezahlte zehntägige Auszeit vom Beruf in Anspruch nehmen können, sondern auch weiter entfernte Verwandte oder Freunde. »Wir müssen den Begriff des Angehörigen weiter fassen«, sagte Reimann. »Es sollten alle unterstützt werden, die bereit sind, füreinander Verantwortung zu übernehmen.« Die SPD-Politikerin verwies der Zeitung gegenüber darauf, dass die Zahl der kinderlosen Pflegebedürftigen stetig zunehme. Um einen Missbrauch zu verhindern, sollten von der erweiterten Regelung diejenigen profitieren, die zum Beispiel in einer Betreuungsvollmacht oder einer Patientenverfügung namentlich aufgeführt sind, sagte Reimann.

Die zehntägige bezahlte Auszeit vom Beruf ist in der ersten Stufe der Pflegereform geplant. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für bis zu zehn Tage erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Dieser Lohnersatz, der rund 100 Millionen Euro kostet und von den Pflegekassen bezahlt wird, soll ab 2015 gelten und in einem gesonderten Gesetz verabschiedet werden. Patientenschützer begrüßten die Idee, die bezahlte Pflegeauszeit auf entfernte Verwandte und Freunde auszuweiten. Das werde allerdings nicht gelingen, wenn der Pflegebedürftige den Betreuenden vorher in einer Verfügung oder Vollmacht namentlich nennen muss, kritisierte die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Eine schriftliche Willensäußerung höher zu bewerten als eine mündliche stelle die Autonomie des Patienten auf den Kopf, so Vorstand Eugen Brysch.

Pia Zimmermann von der Bundestagsfraktion der LINKEN hält den neuen Vorschlag der SPD für genau so ein Stückwerk wie die ganze Pflegereform: »Die Fraktion DIE LINKE fordert eine sechswöchige bezahlte Pflegezeit für Erwerbstätige, die der Organisation und der ersten pflegerischen Versorgung von Angehörigen oder nahestehenden Personen dient«, erklärte sie gegenüber dem »nd«. Das in zehn Tagen organisieren zu müssen, gehe vollkommen an den Lebensrealitäten von Menschen vorbei, die mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert werden.

Erst vor wenigen Wochen war im Bundestag die erste Stufe einer Pflegereform verabschiedet worden, ohne dass man sich drauf geeinigt hatte, wer in den Genuss von geplanten Verbesserungen kommt, weil man die Festlegung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes noch hinauszögert. Sozialverbände hatten dies kritisiert.

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