»Bullen raus aus der Versammlung!«

Bundesverfassungsgericht: Protestierende dürfen Polizisten auffordern, ihre Demonstration zu verlassen

  • Lesedauer: 2 Min.
Demonstrationen seien »die körperliche Sichtbarmachung von gemeinsamen Überzeugungen« meint das Bundesverfassungsgericht, und da können Polizisten in der Demo schon mal stören. Diese an den Rand der Demo zu schicken, ist daher in Ordnung.

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Demonstranten bei öffentlichen Kundgebungen gestärkt. Sie dürfen Polizisten per Lautsprecher auffordern, sich außerhalb ihrer Reihen und am Rande der Demonstration zu bewegen, heißt es in einem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Begründung: Demonstrationen seien »die körperliche Sichtbarmachung von gemeinsamen Überzeugungen«, Polizisten am »Meinungsbildungsprozess« der Gleichgesinnten aber unbeteiligt.

Überdies erlaubt das Gericht behördliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit nur insoweit, wie die Auflagen »zum Schutze gleichwertiger anderer Rechtsgüter notwendig« sind.

Damit siegte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Er war zu 250 Euro Geldbuße verurteilt worden, weil ein Gewerkschafter bei einer Kundgebung zum Tag der Arbeit am 1. Mai 2008 in München über einen Lautsprecher gerufen hatte: »Bullen raus aus der Versammlung!« und »Zivile Bullen raus aus der Versammlung - und zwar sofort!«

Das Amtsgericht München hatte darin einen Verstoß gegen Auflagen der Ordnungsbehörde gesehen, wonach Lautsprecher nur für Ansprachen im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema stehen sowie für Ordnungsdurchsagen verwendet werden durften.

Die Verfassungshüter hoben diese Entscheidung nun auf. Die umstrittenen Durchsagen hatten zwar keinen Bezug zum Versammlungsthema oder der Einhaltung der Ordnung. Sie hätten jedoch »das versammlungsbezogene Anliegen« geäußert, dass sich unter den Kundgebungsteilnehmern keine »am Meinungsbildungsprozess unbeteiligte Polizisten« befinden sollten.

Wer an einer solchen Demonstration teilnimmt, darf laut Beschluss deshalb grundsätzlich dafür eintreten, dass nur Gleichgesinnte an der Versammlung teilnehmen und »Polizisten sich außerhalb des Aufzugs bewegen«.

Die vom Amtsgericht verhängte Geldbuße ist dem Beschluss zufolge insoweit ein unzulässiger Eingriff in die geschützte Versammlungsfreiheit. Karlsruhe hob das Urteil deshalb auf und wies den Fall an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurück. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal