Islamischer Staat in Berlin aktiv

Hetze und Propaganda bedrohen kurdische und jesidische Gemeinden in der Hauptstadt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bürgerkriege in Syrien und Irak werfen ihre Schatten bis in die Hauptstadt: Auf einer Demonstration kam es in dieser Woche zu Auseinandersetzungen.

Die Übergriffe und Massaker von Islamisten in Syrien und dem Irak machen Kurden und Jesiden in Berlin große Sorgen. Erst am Mittwochabend gingen deshalb rund 450 Menschen aus Protest gegen die Terrorangriffe des Islamischen Staates (IS) vor dem Brandenburger Tor auf die Straße. Dabei warnten die Kurdische Gemeinde, die Gesellschaft für bedrohte Völker sowie der Zentralrat der Jesiden in Deutschland vor einem »neuen Völkermord«. Am Rande der Demonstration, die vom Pariser Platz durch Mitte bis zum Potsdamer Platz verlief, kam es laut Augenzeugen zu Auseinandersetzungen.

Wie im westfälischen Herford provozierten offenbar Islamisten die Kurden und Jesiden. »Ein Mann zeigte eine Flagge mit arabischen Schriftzeichen«, erklärt eine Polizeisprecherin am Freitag auf »nd«-Nachfrage. Daraufhin sei der Mann von Teilnehmern des Aufzuges angegriffen worden, hieß es. Ein Verfahren wegen Landfriedensbruches und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz sei eingeleitet worden, so die Polizeisprecherin. Nach Abschluss der Demonstration habe es zudem drei Freiheitsentziehungen gegeben.

»Wir sagen den Jesiden, sie sollen nicht auf Provokationen eingehen«, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Telim Tolan, dem »neuen deutschland«. Angesichts der Lage in Irak würden die Emotionen derzeit hochkochen, bei dem ein oder anderen führe dies zu heftigen Reaktionen, bittet Tolan um Verständnis.

Auch auf die radikalen Islamisten in Berlin, die der Verfassungsschutz auf rund 500 Personen schätzt, üben die Ereignisse in Syrien und Irak großen Einfluss aus. Der Syrienkonflikt ist für den Islamismus das »übergeordnete Thema«, hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) vor kurzem bei der Vorstellung des jährlichen Verfassungsschutzberichtes gewarnt. Allein aus Berlin sind demnach mehr als 50 Islamisten, die sich »turboradikalisiert« haben, in das Bürgerkriegsland Syrien ausgereist. »Auch wenn nicht alle mit dem Ziel ›Dschihad‹ dorthin reisen, so bleibt die Entwicklung hochgefährlich«, betonte Henkel.

Der bekannteste Islamist aus Berlin, der sich dem Islamischen Staat angeschlossen hat, ist der ehemalige Kreuzberger Rapper Denis Cuspert (Deso Dogg). Mit Propagandavideos, in denen er offen zum Dschihad aufruft, auf Schlachtfeldern des Bürgerkrieges posiert oder sich als Unterstützer der syrischen Bevölkerung geriert, meldet sich der Islamist regelmäßig im Internet zur Wort. Erst in dieser Woche wurde ein neues Propagandavideo Cusperts bekannt.

Dass die islamistische Hetze in Berlin teilweise auf fruchtbaren Boden fällt, zeigt die Huldigung des »Bruders« Cuspert auf Internetseiten wie der Gruppe »Islamischer Staat Berlin«. Diese islamistische Gruppe ist allerdings nicht nur virtuell auf Facebook präsent, sondern sie rief in den vergangenen Monaten mehrfach zu Kundgebungen vor das Brandenburger Tor auf.

Dort demonstrierten zuletzt am vergangenen Sonntag 32 Islamisten vor der US-amerikanischen Botschaft. Sie forderten »die Freilassung muslimischer politischer Gefangener« aus dem Internierungslager Guantanamo. Laut Polizei gab es bei der Kundgebung »keine Vorkommnisse«. Von Interesse dürfte die Versammlung für die Sicherheitsbehörden dennoch sein. Immerhin ging hier der harte Kern der Islamisten auf die Straße, die der Verfassungsschutz sicherlich beobachtet. Der Nachrichtendienst erklärte jedoch auf »nd«-Nachfrage, es gebe aktuell »keine nachgewiesene Aktivitäten des Islamischen Staat« in Berlin.

Besondere Sorge bereiten den Sicherheitsbehörden nach dem Anschlag eines Islamisten des IS in Brüssel sogenannte Rückkehrer aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten. Seit 2010 sind rund ein Dutzend von ihnen nach Berlin zurückgekommen. »Ihre Beobachtung« habe hohe Priorität, hieß es jüngst in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber an die Innenbehörden zu Rückkehrern.

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