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Wenn Impfen krank macht

Claudia Schneider kämpft um ihre Anerkennung als Impfopfer – BSW-Gesundheitsministerin Müller hilft

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.
Für Menschen ab 60, chronisch Kranke und medizinisches Personal empfiehlt die Ständige Impfkommission weiterhin die Corona-Impfung.
Für Menschen ab 60, chronisch Kranke und medizinisches Personal empfiehlt die Ständige Impfkommission weiterhin die Corona-Impfung.

Beim Reha-Sport sind Claudia Schneider aus Potsdam drei Muskeln im rechten Bein abgerissen. »Es knallte wie eine Bäckertüte«, erinnert sie sich. Die Sportkameraden in der Turnhalle seien erschrocken gewesen, weil sie so etwas noch nie gehört hatten. Ein ansonsten gesunder Leistungssportler könnte sich operieren lassen. Doch ein Arzt hat der 53-Jährigen erklärt, bei ihr wäre das sinnlos. Ihre Muskeln sind chronisch entzündet. Es würde wieder und wieder geschehen.

»Es gibt keinen Tag ohne Schmerzen«, berichtet Schneider. Nach dem Aufwachen müsse sie sich erst einmal eine Stunde lang dehnen, um aufstehen zu können. Oft denkt sie resigniert, ob sie nicht einfach liegen bleiben solle. Dann rafft sie sich dennoch auf, wenn es irgendwie geht. Die Schmerzen in den Armen sind stark, die in den Beinen extrem.

Beim Laufen hakt sich Schneider bei ihrem Mann unter. Würde er sie nicht stützen, würde sie umfallen, sagt die 53-Jährige. Dazu brenne ihre Haut permanent, als würde sie in Brennnesseln sitzen. Das komme von Nervenschäden, erklärt sie. Auch die ständige Kraftlosigkeit und Muskelschwäche und die Entzündungen im ganzen Körper zermürben sie.

Als Schneider im Januar 2022 erstmals mit Muskelschmerzen eine Ärztin aufsuchte, meinte die, es könne an der Corona-Impfung liegen und die Patientin solle einmal abwarten, ob es nach einiger Zeit nachlässt. Doch es wurde schlimmer und ein langer Leidensweg, dessen Ende nicht abzusehen ist, wie die Frau berichtet. 2020 infizierte sich Schneiders Mann Matthias Herrmann mit dem Coronavirus und es ging ihm sehr schlecht. Sie ist Krankenschwester und konnte ihn pflegen. Nach den damaligen Vorschriften zur Eindämmung der Pandemie musste sie als Kontaktperson sowieso in häuslicher Quarantäne bleiben. Positive Corona-Tests zeigten an, dass sie sich wohl bei ihrem Mann angesteckt hatte. Aber sie verspürte erstaunlicherweise keinerlei Symptome.

Claudia Schneider und Matthias Herrmann – er ist 55 Jahre alt und Pharmareferent – sind alles andere als Impfgegner gewesen. Ihre Tetanus-Schutzimpfung ließ Schneider gerade erst wieder auffrischen. Weil es Matthias Herrmann 2020 mit Corona so schlecht gegangen war und weil für beide wegen ihrer Tätigkeit im Gesundheitswesen auch die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht galt, waren sie bereit, sich impfen zu lassen. Das war 2021. Da ging es Claudia Schneider »blendend«, wie sie sagt. Als sie sich im April 2021 die erste Dosis spritzen ließ, war noch alles in Ordnung. Erst nach der Auffrischung im Dezember begannen die Beschwerden.

Inzwischen besitzt die 53-Jährige den Pflegegrad 2. Ihre Erwerbsunfähigkeitsrente ist zunächst befristet bis Oktober 2028. Doch sie glaubt nicht, jemals wieder ihren Beruf ausüben zu können. Dass Schneider arbeitsunfähig ist, bestreitet niemand. Sie hat einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G, das für eine Gehbehinderung steht. Nur dass es an der Corona-Impfung liege, sei nicht offiziell bestätigt, sagt sie. Ihr Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens liege seit Ende 2023 beim Landesamt für Soziales und Versorgung, das auf den Abschlussbefund der Mediziner warte.

»Drei Jahre Dauerkrieg, den wir gegen alles und jeden führen.« Matthias Herrmann schüttelt entnervt den Kopf. Mit 30 000 Euro beziffert er den Verdienstausfall seiner Frau. Dazu kommen ihm zufolge noch 50 000 Euro für Laboranalysen und Medikamente. Würde ein Impfschaden zugegeben, hätte Claudia Schneider Anspruch auf eine kleine finanzielle Entschädigung. Doch es geht ihr nicht so sehr ums Geld, sondern darum, dass ihr endlich geglaubt wird. Es erbittert die Eheleute, dass das Paul-Ehrlich-Institut immer noch von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis der Corona-Impfungen spreche.

Bundesweit seien bei den Versorgungsämtern der Länder 14 000 Anträge auf Anerkennung von Corona-Impfschäden eingegangen, berichtete die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) im April 2025. Nur knapp 600 Anträge seien bis dahin bewilligt worden. Es liefen noch etwa 2000 Widerspruchsverfahren.

Schneider und Herrmann vermuten, dass es sehr viel mehr Impfschäden gibt. Die Symptome seien schließlich ähnlich wie bei Long Covid. Patienten, die daran leiden, kommen aus dem nach einer Corona-Erkrankung für einige Zeit normalen Erschöpfungszustand erst nach mehr als drei Monaten oder gar nicht mehr heraus. Dazu gesellen sich Atemnot, Konzentrationsschwierigkeiten, massive Schmerzen und Schwindelgefühl. Wie viele Menschen an Long Covid leiden, darüber gehen die Schätzungen auseinander. Der Betroffeneninitiative Long Covid Deutschland und anderen Quellen zufolge könnten zehn Prozent aller Corona-Infizierten mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben.

Schneider und Herrmann erlebten, dass Ärzte ihnen vorschlugen, das Leiden von Claudia Schneider kurzerhand als Long Covid einzusortieren. Es sei ein insofern gut gemeinter Ratschlag, weil sich dann zum Beispiel eine Ergotherapie unproblematisch verschreiben lasse, gesteht Matthias Herrmann zu. Deren Abrechnung zum Beispiel sei mit der Diagnose Code U12.9, der für unerwünschte Nebenwirkungen einer Corona-Impfung stehe, komplizierter.

Aussicht auf Heilung besteht aktuell nicht. Die Forschung zu Therapien steckt erst in den Anfängen – sowohl bei Long Covid als auch bei den Impfschäden.

Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (BSW) hatte sich im Mai mit Claudia Schneider und dem Erzieher Dennis Hehlgans getroffen, der ähnlich schlimm leidet. So wie diese zwei finden viele andere keine Beachtung, bedauerte Ministerin Müller. »Immer wieder müssen sie die Erfahrung machen, dass Ärztinnen und Ärzte Schwierigkeiten haben, ihre Symptome richtig einordnen und behandeln zu können. Viele Ärzte – so schildern es Betroffene – sind wegen des unscharfen Krankheitsbildes oft mit ihnen überfordert. Nicht wenige werden auch einfach als ›Spinner‹ abgekanzelt.« Diese Stigmatisierung von Impfgeschädigten müsse aufhören, forderte Müller. »Sie sind selten, aber es gibt sie: die tragischen Fälle nach einer Corona-Schutzimpfung. Und diese Fälle dürfen wir nicht ignorieren.«

Das war mehr als nur ein Lippenbekenntnis, lobt Claudia Schneider. Sie halte gemeinsam mit Dennis Hehlgans Kontakt zur Ministerin und zu ihrem Staatssekretär. Diese tun nach Schneiders Eindruck, was sie können.

Am Dienstag übergab Ministerin Müller dem DiReNa-Netzwerk 1980 Euro aus Lottomitteln. Das Geld soll dafür verwendet werden, auf der Internetseite des Netzwerks Informationen für Kinder und Jugendliche bereitzustellen. Die Abkürzung DiReNa steht für Diagnose, Rehabilitation, Nachsorge. Das Netzwerk will Anlaufstelle für Patienten, Angehörige und Facharbeiter sein, die mit Long Covid oder Impfschäden zu tun haben. In Brandenburg gehören zu den Patienten schätzungsweise 2000 bis 3000 Minderjährige. Die Ministerin dankte allen, die sich engagieren, die Versorgung der jungen Leute zu verbessern: »Ihre Arbeit ist von unschätzbarem Wert und gibt den betroffenen Familien Hoffnung und Perspektive.«

2023 hat das im Jahr zuvor gegründete Netzwerk 93 504 Euro Fördermittel vom Land erhalten. Im laufenden Jahr stehen 20 000 Euro im Landeshaushalt zur Verfügung und im kommenden Jahr 39 400 Euro.

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