Hochfrequenzhandel: keine Ahnung

Anfrage deckt Kenntnislosigkeit von Schwarz-Rot auf

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Schätzungsweise 40 bis 50 Prozent der Börsenumsätze in Deutschland macht der Hochfrequenzhandel aus. Doch das Gesetz, das diesen kontrollieren soll, ist zahnlos.

Es sollte mehr Transparenz und Fairness auf dem Markt schaffen. Doch das Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel verfehlt nach Ansicht von Gerhard Schick sein Ziel. »Offenbar gibt es da kein wirkliches Interesse, für fairere Handelsbedingungen zu sorgen«, sagt der Grünen-Finanzpolitiker. Seine Bundestagsfraktion stellte zu dem Thema eine kleine Anfrage an die Bundesregierung, deren Antworten dem »neuen deutschland« vorliegen.

Seit Mai 2013 ist das Gesetz nun in Kraft. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung wollte so ein »Tempolimit« für den Hochfrequenzhandel schaffen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollte fortan den voll automatisierten Handel mit Wertpapieren überwachen und notfalls einschreiten. Auch müssen sich Händler, die ihre Aufträge mit Hilfe von mathematischen Algorithmen von ihrem Computer ausführen lassen, jetzt eigentlich dafür registrieren lassen. Doch tat dies bis heute noch niemand, wie aus der Anfrage der Grünnen hervorgeht.

Dies liegt aber nicht daran, dass der Hochfrequenzhandel hierzulande nicht mehr betrieben wird. Schätzungen gehen davon aus, das 40 bis 50 Prozent der Handelsumsätze der deutschen Börsen anhand von algorithmischen Strategien generiert werden. Die wichtigsten Handelsplätze sind die Frankfurter Wertpapierbörse und die Eurex. Doch »viele Institutionen, die Hochfrequenzhandel betreiben, sind keine reinen Hochfrequenzhändler und müssen sich daher nicht separat registrieren«, erklärt Schick. So müssten sich heimische Banken, die bereits vor der Einführung des Gesetzes über eine Erlaubnis zum Eigenhandel verfügten, nicht anmelden.

Eine eigene Abteilung, die sich mit dem Hochfrequenzhandel beschäftigt, gibt es in der BaFin indes nicht. Stattdessen fällt der High-Speed-Handel in den Aufgabenbereich verschiedener Abteilungen der Behörde wie der Wertpapier- und der Bankenaufsicht. Wie viele Mitarbeiter sich derzeit mit dem Thema beschäftigen, kann die Bundesregierung nicht beantworten.

Dabei macht der Hochfrequenzhandel, bei dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren oft nur Millisekunden auseinander liegen, die Finanzwelt enorm anfällig für Crashs. Im Mai 2010 löste eine Lawine von Verkaufsaufträgen durch computergesteuerte Handelsprogramme einen sogenannten Flash-Crash aus, bei dem der Dow-Jones-Index an der Börse in New York innerhalb weniger Minuten grundlos um mehr als neun Prozent in den Keller sackte.

Derweil versuchen die Börsenbetreiber selbst zumindest die schlimmsten Auswüchse einzudämmen. So haben viele deutsche Börsen ein Entgelt für exzessive Systemnutzung eingeführt. Schick zufolge geraten die Börsen jedoch in einen Interessenkonflikt, indem ihnen bei der Überwachung des Hochfrequenzhandels zu viel selbst überlassen wird. »Auf der einen Seite sollen die Börsen den Handel im Interesse aller Marktteilnehmer überwachen, auf der anderen Seite verdienen ihre Betreiber enorm an den Hochfrequenzhändlern und haben daher kein Interesse, es sich mit ihnen zu verscherzen«, so Schick.

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