»Wir wollten den besten Trainer«

Dagur Sigurdsson soll nun den zuletzt erfolglosen deutschen Handballern wieder Leben einhauchen

  • Erik Eggers, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der am Dienstag offiziell vorgestellte Handballbundestrainer Dagur Sigurdsson geht nun doch ohne seinen Vorgänger Martin Heuberger als Co-Trainer an die Arbeit.

Sie siechte in den vergangenen Jahren dahin, die deutsche Handballnationalmannschaft. Die EM 2014 wurde verpasst, und bei der WM 2015 in Doha dürfen die besten hiesigen Handballprofis nur dank einer Wildcard mitspielen. Insofern wirkte der Standort, den der Deutsche Handballbund (DHB) am Dienstag zur Präsentation des neuen Bundestrainers wählte, die wuchtige Zentrale der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Leipzig, wie ein Symbol. Dagur Sigurdsson soll als Cheftrainer ab 1. September dem größten Patienten des deutschen Handballs wieder Leben einhauchen. Der Isländer unterschrieb einen Vertrag bis 2017, inklusive Option bis 2020, denn das erklärte Fernziel des DHB ist die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio.

»Er stellte für uns die erste Wahl dar«, sagte DHB-Präsident Bernhard Bauer über den Nachfolger des unglücklichen Martin Heuberger. »Wir wollten den besten Trainer für den deutschen Handball, unabhängig von seiner Nationalität«, ergänzte Vizepräsident Bob Hanning über Sigurdsson, der nach dem Kroaten Vlado Stenzel (1974-1982) der zweite Ausländer auf diesem Posten ist.

Eine Überraschung war diese Wahl nicht mehr. Der Trainer der Füchse Berlin wird zunächst in Doppelfunktion die DHB-Auswahl und die Füchse betreuen und sich im Sommer 2015 auf die Auswahl konzentrieren. »Ich bin sehr stolz«, sagte der 41-Jährige, der die Füchse seit 2009 mit großem Erfolg trainiert. »Es ist eine große Belastung. Aber ich habe da keine Angst oder Zweifel, es sind ein paar Monate, in denen ich viel arbeiten muss, aber das werde ich überleben.« Wenn seine Frau darüber nicht jammere, dürfe das niemand, juxte er.

Eine kleine Sensation aber ist die Einmütigkeit, mit der sich die Verantwortlichen, moderiert von Bauer, in den vergangenen Wochen auf die Besetzung dieses Amtes geeinigt hatten. »Er ist absolut die beste Wahl«, sagte auch Uwe Schwenker, Präsident der Handballbundesliga (HBL), die in den Entscheidungsprozess eng eingebunden war. »Das zeigt, dass wir den Weg gemeinsam gehen wollen. Diese Entscheidung ist in Ruhe und mit Bedacht getroffen worden, unter Einbeziehung aller wichtigen Akteure, und wird von allen mitgetragen werden.« Bauer wiederum dankte der Liga für die Unterstützung.

In der Vergangenheit hatten sich die Funktionäre des Dachverbandes und der HBL gestritten wie die Kesselflicker. Bei der Ursachenforschung, warum das Aushängeschild des deutschen Handballs keine Erfolge mehr feierte, hatte man dem jeweils anderen die Schuld in die Schuhe geschoben. Nun lobte Schwenker auch Bob Hanning, der als Manager der Füchse seinen wichtigsten Mann ab Sommer 2015 ersetzen muss. Womöglich wird man die Personalie Sigurdsson irgendwann als Zäsur im deutschen Handball einordnen: als Auftakt zu einer neuen Harmonie.

Sigurdsson will nun erst die Lage sondieren. Dazu bleibt ihm Zeit bis zum ersten Lehrgang Mitte September, der auf die Länderspiele am 20. (in Göppingen) und 21. September (Neu-Ulm) vorbereitet. Aber die nachrückenden Talente im deutschen Handball, etwa Fabian Wiede und Paul Drux (Berlin) und auch Tim Suton (Rhein Neckar-Löwen), dürfen sich Hoffnungen auf eine Nominierung machen. »Meine Philosophie ist eher mit jungen Spielern zu arbeiten«, sagte Sigurdsson. »Das heißt aber nicht, dass ich nicht alte Spieler brauche.« Er werde nun zunächst die erfahrenen Spieler suchen, die als Führungsfiguren fungieren sollen. »Das mache ich, bevor ich gucke, wo die Talente sind.«

Wer Sigurdsson auf dem Weg zur WM in Katar als Co-Trainer unterstützen wird, ist noch unklar. Er bestätigte zwar Gespräche mit dem ehemaligen Bundestrainer Heuberger (»das fand ich eine sehr interessante Idee«). Aber sie scheint inzwischen doch wieder verworfen. »Er wird es wohl nicht werden. Wir wollen frischen Wind haben.« Eine Frische, die freilich auch nötig war nach vielen deprimierenden Jahren.

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