Bundesliga: Krisensymptome und Schmerzen bei Bayer Leverkusen

Der Vizemeister enttäuscht beim 1:2 gegen Hoffenheim auf ganzer Linie

  • Daniel Theweleit, Leverkusen
  • Lesedauer: 4 Min.
Robert Andrich erlebte als neuer Kapitän von Leverkusen einen Fehlstart.
Robert Andrich erlebte als neuer Kapitän von Leverkusen einen Fehlstart.

Es dauerte eine Weile, bevor Mark Flekken die ersten Worte als neuer Krisenerklärer von Bayer Leverkusen über die Lippen kamen. Diese Rolle ist dem aus Brentford nach Leverkusen gewechselten Torhüter einerseits wenig vertraut. Andererseits hat er bestimmt nicht damit gerechnet, schon so früh in der Saison Erklärungen für eine Leistung liefern zu müssen, die in dieser enttäuschenden Ausprägung fast alle Beobachter überraschte.

Nicht viel Gutes

Krise mag ein großer Begriff sein für die Umstände der 1:2-Niederlage vom Meister von 2024 zum Bundesligaauftakt gegen die TSG Hoffenheim. Aber die sichtbaren Symptome erinnerten schon sehr stark an das klassische Fußballphänomen des andauernden Misserfolgs, das meist erst später in der Spielzeit die ersten Klubs ereilt. Es sei »nicht alles schlecht« gewesen, sagte Flekken also, der aber auch »definitiv nicht viel Gutes« an der Leistung der entkernten ehemaligen Supermannschaft erkennen konnte.

Manche im Publikum gingen mangels Hoffnung auf den Ausgleich schon Minuten vor dem Abpfiff nach Hause. Andere pfiffen. Der harte Kern der Anhänger spendete tröstenden Applaus. Aber der Schmerz, der bislang eher eine Ahnung war, ist voll ausgebrochen an diesem Sonnabend. Alle Anwesenden mussten einer bitteren Realität ins Gesicht schauen: Ohne die gewechselten Florian Wirtz, Granit Xhaka, Jonathan Tah, Lukas Hradecky, Jeremie Frimpong und Xabi Alonso erinnert dieses Team nur noch sehr entfernt an die größte Zeit der Klubgeschichte, die erst vor wenigen Wochen zu Ende gegangen war.

Kein Konzept

Ein Anführer ist der neue Kapitän Robert Andrich, dessen Spiel ohne die hochveranlagten Kollegen allerdings deutlich weniger überzeugend wirkte. »Viel Neues und alles Drum und Dran. Aber das ist jetzt auch keine Ausrede«, erklärte Andrich. Die in allen Mannschaftsteilen überlegenen Hoffenheimer waren mit sieben Neuzugängen angetreten, während in Leverkusens Startelf nur drei neue Spieler standen. Offensiv war Bayer, abgesehen von einigen Chancen nach Ecken und Freistößen, harmlos und hinten passierten schlimme Fehler. Insgesamt fehlte dem Team ein fußballerisches Konzept.

Eventuell ist Besserung zu erwarten, wenn der erfahrene, vorerst aber noch angeschlagene Verteidiger Loïc Badé, der vom FC Sevilla gekommen war, mitwirken kann. Dringend wird auch die Rückkehr von Exequiel Palacios herbeigesehnt, außerdem wird an der Verpflichtung seines argentinischen Mittelfeldkollegen Ezequiel Fernández gearbeitet. Und ein Transfer von Eliesse Ben Seghir aus Monaco könnte ebenfalls noch bevorstehen. Am Ende wird der gewaltige Kaderumbruch bis zu 200 Millionen Euro gekostet haben, aber ein homogenes Gebilde ist bisher nicht einmal in Ansätzen sichtbar.

Gewaltige Defizite

Es sei »nicht unerwartet«, dass diese Umwälzungen nicht sofort zum Erfolg führen, sagte Trainer Erik ten Hag und erklärte: »Ich weiß aus meiner Erfahrung: Das dauert. Wir brauchen jeden Tag, und wir müssen sehr hart arbeiten.« Aber ein wenig mehr Tempo im Entwicklungsprozess hätten sie sich schon gewünscht. Sportchef Simon Rolfes hatte noch in der vergangenen Woche davon erzählt, nach einer gewissen »Trägheit« am Ende der Vorsaison »wieder eine große Dynamik im Kader« zu erkennen: »Es wird um die Plätze im Team und um die Rollen innerhalb der Gruppe gekämpft. Viele Spieler versuchen, ihre neuen Freiräume zu nutzen.« Andrich und Aleix Garcia wurden diesem Anspruch im Mittelfeldzentrum vorerst genauso wenig gerecht wie Stürmer Patrik Schick oder Verteidiger Edmond Tapsoba. Auch Arthur und Nathan Tella auf den Flügeln blieben blass.

Offenbar hat Rolfes sehr viel Qualität und Potenzial eingekauft, auf der Ebene einer neuen Struktur weist das Team aber noch gewaltige Defizite auf. Und der Trainer wirkte auch ein wenig mitgenommen nach diesem Tag der Ernüchterung, als er sagte: »Ich kann nicht sagen, wie viel Geduld wir haben müssen. Es ist einfach so: Manchmal klickt es.« Das klingt mehr nach Hoffnung als nach einem wirklich klaren Plan.

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